Nachhaltig tot (German Edition)
Einbruch im Umspannwerk Uchtelfangen. Ein Toter, der Komplize ist offenbar entkommen. Es eilt. Die Spurensicherung ist schon vor Ort.“
Södermann stöhnte. Diese Frau trieb ihn in den Wahnsinn. Die hatte einen Ton am Leib. Er konnte es einfach nicht ausstehen, herumkommandiert zu werden. Schon gar nicht von einer Frau. Mühsam setzte er sich auf den Rand seines Bettes. Er lauschte noch eine Weile den Anweisungen, antwortete einsilbig.
Seine Chefin Charlotte Himbert liebte es, ihn zu schikanieren - davon war er überzeugt. Södermann stellte sich in solchen Momenten vor, wie sie mit einem Lächeln im Gesicht wieder zwischen den Kissen verschwand und sich im Bett rekelte. Dieses rachsüchtige Weib wurde eben nicht müde, ihn dafür zu bestrafen, dass er sie bei ihrem Antritt vor wenigen Monaten als Quotenfrau beschimpft hatte.
Eine Viertelstunde später war Kriminalkommissar Södermann schon auf der Autobahn. Auf das Martinshorn verzichtete er. Um kurz nach 5 Uhr war die Straße menschenleer. Als er am Umspannwerk ankam, war er hellwach. Zwei Polizeiautos standen davor, die Kollegen von der Spurensicherung waren in weißen Overalls zugange und ein aufgeregter Sicherheitsingenieur wartete neben dem Eingangstor.
„Kriminalkommissar Södermann“, sagte er und drückte die Hand, die der Mann ihm entgegenstreckte. Er war groß, hatte silbergraue Haare und trug eine Brille.
„Manfred Brill, Sicherheitsingenieur“, sagte er knapp.
„Was ist passiert?“
„Er ist irgendwie zu nah an die Stromleitung gekommen. Mit einem langen Gegenstand vermutlich. Das ist tödlich“, sagte er und zeigte auf die Hochspannungsleitung.
„Reicht es aus, in die Nähe so einer Leitung zu kommen, um einen Stromschlag zu bekommen?“, fragte Södermann.
„Heute Nacht allemal: Die Erde ist feucht, die Luftfeuchtigkeit bei diesem Nebel hoch. Es kam zum Überschlag …“
„Überschlag?“, fragte Södermann dazwischen.
„Der, der unter der Leitung steht, steht unter Hochspannung. 380.000 Volt. Ein furchtbarer Unfall.“
Södermann ging zu den Kollegen der Spurensicherung. Er hätte sich den Anblick der Leiche gerne erspart. Verbrannt bis zur Unkenntlichkeit.
„Furchtbar“, entfuhr es ihm und der Kollege nickte.
„Warum bricht jemand in ein Umspannwerk ein? Ein Anschlag?“
„Wir haben keine Ahnung. Neben dem Eingang lag eine lange Stange. Mehr haben wir nicht gefunden.“
„War er allein?“
„Ich glaube nicht. Es gibt weitere Fußspuren zum Schalthaus. Ein Kollege versucht gerade die Bilder der Überwachungskamera zu sichern, wenn die nicht durch das Feuer zerstört worden ist.“
Södermann ging zwischen Strommasten und Leitungen hindurch zu Manfred Brill. Der stand jetzt am Schalthaus, wo die Kollegen der Spurensicherung Fragen an ihn hatten.
„Jemand hat versucht die Netzschutzrelais zu manipulieren“, sagte der Ingenieur. Die Tür war aufgebrochen worden. Södermanns Blick fiel noch auf das Warnschild „Achtung Hochspannung, Lebensgefahr“, bevor er Manfred Brill in einen kleinen Raum folgte. Zwei große Schaltschränke waren geöffnet worden, drei weitere schienen unberührt zu sein. Södermann schnaufte leise. Das sah alles kompliziert aus und Physik war für ihn in der Schule schon ein Buch mit sieben Siegeln gewesen.
„An der Tür befindet sich ein Warnschild. Wie gefährlich ist es hier drin?“, fragte Södermann. „War der Einbrecher gefährdet?“
„Hier drin ist die Schaltzentrale, die das Umspannwerk absichert. Die Leitungen draußen sind viel gefährlicher. Die stehen unter Hochspannung, wenn Sie verstehen.“
Dann begann Sicherheitsingenieur Brill ohne Hast die Funktion der Schutztechnik im Umspannwerk zu erklären.
Till lag wie gelähmt im Unterholz. Hier hatten Benni und er die Fahrräder versteckt, bevor sie zu Fuß zum Umspannwerk gegangen waren. Vor Kälte zitterte er inzwischen am ganzen Körper. Er musste hier weg, so schnell wie möglich. Aber überall war Polizei. Till schluchzte auf bei dem Gedanken an Benni. Dann quälte er sich aufs Fahrrad und bog in den nächsten Feldwirtschaftsweg ein.
Charlotte Himbert blinzelte. Gegen 8.30 Uhr kitzelte sie die Sonne im Gesicht. Sie war nach dem frühen Anruf bei Södermann wieder eingeschlafen. Normalerweise war das nicht ihre Art, aber heute hatte sie sich genüsslich noch einmal ins Bett gestreckt. Es war ein zu schöner Abend gewesen. Zu überraschend und vielversprechend, um sich jetzt mit Alltagsproblemen zu belasten. Dafür hatte
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