Nachrichten aus Mittelerde
werden die Anhänge völlig ignorieren.
Zurzeit bin ich mir überhaupt nicht sicher, ob die Neigung, das Ganze als eine Art ausgedehnten Spiels zu betrachten, wirklich zu begrüßen ist; gewiss nicht von mir, denn ich finde, dass diese Ansicht eine allzu gefährliche Verlockung ist. Es ist, nehme ich an, ein Tribut an die merkwürdige Wirkung einer Geschichte, die auf ausgiebigen und detaillierten Vorarbeiten zur Geographie, Chronologie und Sprache beruht, dass so viele nach reiner ›Information‹ oder ›überliefertem Wissen‹ verlangen.
In einem Brief aus dem folgenden Jahr schrieb er:
… während viele wie Sie Landkarten verlangen, geht es anderen weniger um Orte als um geologische Angaben. Viele wünschen sich Elbische Grammatiken, Lautlehren und Sprachproben, andere Vers- und Silbenlehren … Musiker wünschen sich Melodien und Notenschrift, Archäologen sind an Keramik und Hüttenkunde interessiert, Botaniker verlangen nach einer sorgfältigeren Beschreibung von
mallorn, elanor, niphredil, alfirin, mallos
und
symbelmyne
. Historiker wünschen mehr Einzelheiten über die soziale und politische Struktur Gondors; allgemein interessierte Frager wünschen Informationen über die Wagenfahrer, die Haradrim, die Herkunft der Zwerge, die Toten Menschen, die Beorninger und die fehlenden zwei Zauberer (von fünf).
Doch welchen Standpunkt man in dieser Frage immer einnehmen mag, für manche, zu denen ich mich auch zähle, liegt ein höherer Sinn als in der bloßen Enthüllung merkwürdiger Details darin, zu erfahren, dass Veantur aus Númenor sein Schiff Entulesse, die ›Wiederkehr‹, im sechshundertsten Jahr des Zweiten Zeitalters mit den Frühlingswinden zu den Grauen Anfurten brachte, dass das Grabmal Elendil des Langen von seinem Sohn Isildur auf dem höchsten Punkt des Heiligen Berges Halifirien errichtet wurde; dass der Schwarze Reiter, den die Hobbits in der nebligen Dunkelheit an der Bockenburg-Fähre sahen, Khamûl war, der Herr der Ringsklaven von Dol Guldur – oder gar, dass die Kinderlosigkeit Tarannons, des zwölften Königs von Gondor (eine Tatsache, die im Anhang zum
Herrn der Ringe
verzeichnet ist), mit den bis dahin völlig geheimnisvollen Katzen der Königin Berúthiel zusammenhängt.
Die Zusammenstellung des Buches ist sehr schwierig gewesen und hat zu einem ziemlich vielschichtigen Ergebnis geführt. Zwar sind die Erzählungen alle in gewissem Sinne›unvollendet‹, jedoch in unterschiedlichem Maße und in verschiedener Bedeutung des Wortes, und sie haben eine unterschiedliche Behandlung erforderlich gemacht. Weiter unten werde ich der Reihe nach zu jeder von ihnen etwas sagen. An dieser Stelle möchte ich die Aufmerksamkeit lediglich auf ein paar allgemeine Grundzüge lenken.
Die wichtigste Frage ist die des ›inneren Zusammenhangs‹, die sich am besten anhand des »Die Geschichte von Galadriel und Celeborn« überschriebenen Textes illustrieren lässt. Dieses ist eine ›unvollendete Geschichte‹ im weiteren Sinne: keine Erzählung, die plötzlich abbricht wie »Von Tuor und seiner Ankunft in Gondolin«, keine Reihung fragmentarischer Stücke wie »Cirion und Eorl«, und dennoch bildet sie einen elementaren Erzählstrang in der Geschichte Mittelerdes, der nie eine fest umrissene Gestalt erhalten hat und in der letzten Fassung liegen blieb. Die Einbeziehung der unveröffentlichten Erzählungen und Skizzen zu diesem Thema hat deshalb zugleich zur Folge, dass die Geschichte nicht als eine festgelegte, unabhängig existierende Wirklichkeit betrachtet werden darf, über die der Autor (in seiner Rolle als Übersetzer und Herausgeber) ›berichtet‹, sondern als ein in seinem Kopf wachsender und sich verändernder Entwurf. Als der Autor seine Werke nicht mehr selbst herausgab, nachdem er sie seiner eigenen detaillierten Kritik und Vergleichung unterzogen hatte, werden die weiteren Erkenntnisse über Mittelerde, die sich in seinen unveröffentlichten Schriften finden, des Öfteren in Gegensatz zu Tatsachen geraten, die bereits ›bekannt‹ sind. In solchen Fällen werden die neuen Elemente, die man in das bereits bestehende Gebäude einfügt, weniger zur Geschichte der erfundenen Welt selbst beitragen als zur Geschichte ihrer Erfindung. In diesem Buch habe ich diese Tatsache von Anfang an akzeptiert. Außer bei geringfügigen Details wie bei unterschiedlicher Nomenklatur (wo eine Beibehaltung der handschriftlichen Form zu unangemessenerVerwirrung geführt oder umfangreiche
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