Nachrichten aus Mittelerde
gekritzelt, auf dem die »Bedeutung der Verantwortung in einem Bataillon« dargelegt war. Das früheste Manuskript existiert noch und umfasst zwei kleine Schulhefte. Es ist schnell mit Bleistift geschrieben, zu einem großen Teil durch Zusätze in Tintenschrift ergänzt und mit zahlreichen Korrekturen versehen. Auf der Grundlage dieses Textes hat meine Mutter offenbar 1917 eine saubere Abschrift angefertigt. Doch in der Folge wurde dieses Manuskript weiterhin von Grund auf überarbeitet. Die Zeit, in der dies geschah, kann ich nicht genau bestimmen, doch war es vermutlich zwischen 1919 und 1920, als mein Vater in Oxford zum Mitarbeiterstab des damals noch unvollendeten Wörterbuches gehörte. Im Frühjahr 1920 wurde er vom Essay-Club seines Colleges (Exeter) zu einer Lesung eingeladen, und er las dort den »Fall von Gondolin«. Was er alsEinleitung zu seinem »Essay« zu sagen beabsichtigte, geht aus seinen Notizen hervor, die noch erhalten sind. Darin entschuldigt er sich, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, einen kritischen Text zu verfassen, und er fährt fort: »Folglich musste ich etwas bereits Geschriebenes lesen und verfiel in meiner Not auf diese Erzählung, die natürlich bis heute das Licht der Welt noch nicht erblickt hat … Vor geraumer Zeit erwuchs in meiner Vorstellung (besser gesagt: wurde entworfen) ein abgeschlossener Zyklus von Ereignissen in einer erfundenen Elbenwelt. Einige dieser Episoden sind flüchtig skizziert worden … Die vorliegende Geschichte gehört nicht zu den besten, doch ist sie die einzige, die überhaupt so weit überarbeitet ist, dass ich, so wenig zufriedenstellend die Revision auch war, es wagen kann, sie vorzulesen.«
Die Geschichte von Tuor und dem Auszug aus Gondolin (wie der »Fall von Gondolin« im frühen Manuskript überschrieben ist) blieb viele Jahre liegen, obgleich mein Vater in einem gewissen Stadium, vermutlich zwischen 1926 und 1930, eine kurze, gedrängte Version verfasste, die einen Teil des
Silmarillion
bilden sollte. (Dieser Titel taucht übrigens erstmals in einem Brief meines Vaters an den
Observer
vom 20. Februar 1938 auf.) Diese Fassung wurde nachträglich weiter überarbeitet, um sie mit veränderten Konzeptionen in anderen Teilen des Buches in Einklang zu bringen. Viel später begann er mit der Arbeit an einer völlig umgestalteten Erzählung mit dem Titel »Von Tuor und dem Fall von Gondolin«. Sie ist sehr wahrscheinlich 1951 verfasst worden, als der
Herr der Ringe
abgeschlossen, seine Veröffentlichung aber noch zweifelhaft war. Stilistisch und inhaltlich von Grund auf verändert, doch unter Beibehaltung vieler wesentlicher Züge der Jugendfassung, entfaltet sich in der Geschichte »Von Tuor und dem Fall von Gondolin« detailliert ausgearbeitet die gesamte Sage, die dem kurzen XXIII. Kapitel des veröffentlichten
Silmarillion
zugrundeliegt. Es ist jedoch schmerzlich, dass er nur bis zu jenem Punkt gelangte, an welchem Tuor, über die Ebenen Tumladens blickend, Gondolins ansichtig wurde. Es gibt keine Anhaltspunkte, warum er die Geschichte an dieser Stelle abbrach.
Dieser Text wird hier abgedruckt. Um Verwirrung zu vermeiden, habe ich ihn »Von Tuor und seiner Ankunft in Gondolin« betitelt, da über den Fall der Stadt nichts berichtet wird. Wie immer bei den Werken meines Vaters, existieren verschiedene Lesarten und von einem kurzen Abschnitt (in dem sich Tuor und Voronwe dem Sirion nähern und ihn überqueren) mehrere konkurrierende Fassungen, wodurch eine geringfügige editorische Bearbeitung notwendig wurde.
Es bleibt somit die bemerkenswerte Tatsache, dass die einzige vollständige erzählerische Ausformung der Tuor-Geschichte (sein Aufenthalt in Gondolin, seine Ehe mit Idril Celebrindal, die Geburt Earendils, der Verrat Maeglins, die Plünderung der Stadt und das Entkommen der Flüchtlinge), die in seiner Vorstellung vom Ersten Zeitalter einen zentralen Platz einnimmt, bereits in jener Jugenderzählung geleistet wurde. Gleichwohl steht außer Frage, dass diese (höchst bemerkenswerte) frühe Erzählung zur Aufnahme in das vorliegende Buch ungeeignet ist. Sie ist in jenem extrem archaisierenden Stil verfasst, den mein Vater damals schrieb, und drückt unvermeidlich Tendenzen aus, die mit der Welt des
Herrn der Ringe
und des
Silmarillion
in der vorliegenden Form nicht im Einklang stehen. Sie ist zusammen mit den Texten aus der mythologischen Frühphase einem Buch von
Lost Stories
(»Verlorene Geschichten«) zugehörig; dieses ist selbst ein
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