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Nacht der Füchse

Titel: Nacht der Füchse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Jersey kann wunderschön sein – allerdings selten im März.«
    »Ich hatte leider keine andere Wahl«, antwortete ich. »Hier wird heute jemand beerdigt. Harry Martineau.«
    Er war im Begriff seinen Regenmantel anzuziehen und hielt überrascht inne. »Stimmt. Und ich leite die Trauerfeier. Zwei Uhr heute Nachmittag. Gehören Sie zur Familie?«
    »Eigentlich nicht, auch wenn ich manchmal das Gefühl habe. Ich bin außerordentlicher Professor für Philosophie an der Har­ varduniversität. Seit drei Jahren arbeite ich an einer Biografie über Martineau.«
    »Ah.« Er öffnete langsam die Tür, und wir traten vor die Kirche.
    »Wissen Sie viel über Martineau?«, fragte ich.
    »Eigentlich nur wenig, außer über die ungewöhnlichen Um­ stände seines Todes.«
    »Und die noch ungewöhnlicheren Umstände seiner Beerdi­ gung«, bemerkte ich. »Schließlich passiert es nicht oft, dass man einen Mann vierzig Jahre nach seinem Tod bestattet.«

    Der Bungalow stand am anderen Ende der St.-Brelade-Bucht, unweit des Hotels L’Horizon, in dem ich wohnte. Das Haus war klein und unauffällig, das Wohnzimmer allerdings überra­ schend groß und gemütlich eingerichtet; an zwei Wänden zo­ gen sich Bücherreihen hin. Große gläserne Schiebetüren führten auf eine Terrasse in einen Garten, dahinter erstreckte sich die Bucht. Die Flut strömte machtvoll herein, der Wind zauberte Schaumkronen auf die Wellen, der Regen prasselte gegen die Scheiben.
    Mein Gastgeber kam aus der Küche und stellte ein Tablett auf einen kleinen Tisch vor dem Feuer. »Ich hoffe, Sie sind mit Tee einverstanden.«
    »Durchaus.«
    »Meine Frau hat immer Kaffee getrunken, aber sie ist vor drei Jahren gestorben. Ich selbst mag keinen Kaffee.«
    Er schenkte ein und schob mir die Tasse hin, während ich mich setzte. Ein Schweigen entstand. Er hob die Tasse und trank mit kleinen Schlucken. Er schien darauf zu warten, dass
    ich das Gespräch eröffnete.
    »Sie haben es hier sehr gemütlich«, bemerkte ich.
    »Ja, es geht mir gut. Natürlich bin ich einsam. Professor Sta­ cey, es ist die größte Schwäche des Menschen, dass er einen anderen Menschen braucht.« Er schenkte sich nach. »Als Junge verbrachte ich drei Jahre auf Jersey und verlor mein Herz an die Insel.«
    »Das verstehe ich durchaus.« Mein Blick wanderte über die Bucht. »Sie ist sehr schön.«
    »Später verbrachte ich oft den Urlaub hier. Bei meiner Pen­ sionierung war ich Kanoniker der Winchester-Kathedrale. Da unser einziger Sohn vor vielen Jahren nach Australien zog…« Er zuckte mit den Achseln. »Jersey bot sich gewissermaßen von allein an, zumal dieses Haus schon seit vielen Jahren mei­ ner Frau gehörte. Von einem Onkel geerbt.«
    »Das passte ja alles sehr gut.«
    »Ja, besonders in Anbetracht der strengen Bauvorschriften.« Er stellte die Tasse hin, nahm eine Pfeife zur Hand und begann sie aus einem zerschlissenen Lederbeutel zu füllen. »Also«, sagte er forsch, »jetzt wissen Sie alles über mich. Was ist mit Ihnen und Freund Martineau?«
    »Wissen Sie viel über ihn?«
    »Nein. Ich hörte vor einigen Tagen zum ersten Mal von ihm, als mir Dr. Drayton aus meinem Freundeskreis die Umstände erklärte, unter denen die Leiche gefunden worden war, und mitteilte, dass sie von London zur Beerdigung hierher über­ führt werde.«
    »Sie wissen, wie er gestorben ist?«
    »Bei einem Flugzeugabsturz 1945.«
    »Im Januar 1945. Die RAF unterhielt während des Zweiten Weltkrieges eine so genannte Feindmaschinen-Staffel. In die­ ser Einheit wurden erbeutete deutsche Maschinen geflogen, um deren Leistungsfähigkeit zu überprüfen, und so weiter.«
    »Aha.«
    »Harry Martineau arbeitete für das Kriegswirtschaftsministe­ rium. Im Januar 1945 flog er als Beobachter in einer Arado 96 mit, einer zweisitzigen deutschen Ausbildungsmaschine, die zur Feindmaschinen-Staffel gehörte. Von diesem Flug kehrte er nicht zurück; man hat immer angenommen, das Flugzeug sei über dem Meer abgestürzt.«
    »Und?«
    »Vor zwei Wochen wurde das Wrack bei Ausschachtungsar­ beiten in einem Sumpf in Essex gefunden. Die Baustelle wurde stillgelegt, während die RAF die Überreste barg.«
    »Und Martineau und der Pilot waren noch in der Maschine?«
    »Ihre Überreste. Aus irgendwelchen Gründen haben die Be­ hörden die Sache totgeschwiegen. Die Nachricht erreichte mich erst letztes Wochenende, und da bin ich gleich mit der ersten Maschine losgeflogen. War Montag früh in London.«
    Cullen nickte. »Sie

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