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Nacht der Vampire

Nacht der Vampire

Titel: Nacht der Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Giles
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ihm bei der kleinsten Bewegung den Dolch ins Fleisch bohren würde. Genauso wußte er, daß sie nicht die Absicht hatte, ihn mit einem einzigen Stich zu töten. Wenn sie zustach, geschah es, um ihn zu quälen.
    »Du hast mich für eure Sekte angeworben, ohne zu ahnen, was du damit angerichtet hast, nicht wahr?« fragte Lily grinsend.
    »Nein . . . wußte es nicht.« Duffy fiel das Sprechen schwer. »Anfangs hielt ich dich für unschuldig.«
    »Oh, das war ich auch — anfangs! Deshalb war es ja eine solche Leistung von dir, mich zu einer der Euren zu machen! Und glaube mir, Duffy, ich habe mich dem wahren Glauben mit Herz, Leib und Seele verschrieben! Selbstverständlich. Denn ich mußte  überzeugt  sein, um jene Dinge tun zu können, die wir alle dann taten. Nur wenn ich mich zwang, daran zu glauben, war ich zu allen Lastern und Ausschweifungen fähig. Oder hattest du gedacht, du könntest ein Mädchen wie die junge Lily Bains dazu bewegen, sich dem Teufel zu vermählen? Du könntest sie überreden, sich während der schwarzen Messen zu prostituieren und den Teufel selbst zu küssen, ohne fest in ihrem neuen Glauben verankert zu sein?«
    Die vermummten Gestalten kicherten leise, und die Fledermäuse stießen unmenschliche, erstickte Laute aus.
    »Und weißt du auch, was mich zu diesem Glauben geführt hat, Duffy? Die Annahme, daß du selbst gläubig seist. Und deine Überredungskunst. Weil du mir vorgegaukelt hast, es wäre der einzige Weg, der uns beide zusammenführt, der einzige Weg, daß du mir für alle Zeiten gehören würdest, wenn ich nur eurer Sekte beitrete. Aber das ist ja bekannt, nicht wahr?«
    ,»Ja.« Duffy wußte, daß es vor dieser Wahrheit keine Ausflüchte gab.
    »So hast du mich also dem Teufel zugeführt, Duffy. Du hast mich verführt, mir die Unschuld geraubt, mich verdorben. Und ich brauche dir das gar nicht erst zu verzeihen, Duffy, ich hätte dir sogar dankbar sein sollen!
    Doch dann hast du mich verraten. Nicht an den Teufel, nein, du hast dich vom Teufel abgewandt! Du hast den Teufel verlassen und die Sekte und  mich!  Du hast dich von diesem Ort, vom Teufel und von mir mit der Absicht entfernt, nie wieder zurückzukehren!« Bei diesen Vorwürfen wurde ihre Stimme schneidend. Sie begann zu zittern, und ihre Hand spannte sich fester um den silbernen Dolch. Ihr Körper schüttelte sich im Licht des Feuers. Duffy erwartete jeden Augenblick, daß der Dolch zustoßen würde. Aber dann lachte sie plötzlich auf. Die Spannung wich von ihr.
    »Aber wir haben dich zurückgeholt, Duffy, nicht wahr?« sagte sie. »Ja, ja, das haben wir.«
    »Warum, um Gottes willen?«
    »Alle seid ihr abgefallen, alle fünf. Nur ich blieb treu. Und ich wußte, daß der Geheimbund nicht mehr existierte. Du hast keine Ahnung, wie verbittert ich war und wie verlassen ich mir vorkam, mein Schatz, weil ich dir und deinen Freunden alles gegeben hatte, was ich besaß. Ich hatte mich von Grund auf geändert. Wie sehr ihr selbst an den Teufel geglaubt habt, weiß ich nicht. Jedenfalls tat es keiner mit derselben Rückhaltslosigkeit wie ich. Und ich war auch die einzige, die sich an unsere feierlichen Schwüre gehalten hat.« Sie schloß sekundenlang die Augen. Ein Ausdruck der Verzückung huschte über ihr Gesicht. »Deshalb wußte ich schon damals, vor all den Jahren, daß ich zum Werkzeug ausersehen war, das euch Abtrünnige vernichten sollte.
    Wie du siehst, habe ich die Sekte neu aufgebaut. Es hat lange gedauert, war aber nicht sehr schwierig. Ich brauchte nur darauf zu achten, wer sich in unserer kleinen Leihbücherei an das Regal mit der Literatur über schwarze Magie wagte. Ich zog die Leute ins Gespräch und horchte sie aus. So erfuhr ich, wer tatsächlich Umgang mit dem Teufel pflegte und wer über geheime Kräfte verfügte. Und ich entdeckte, daß Talente in mir schlummerten, die du mir niemals zugetraut hättest, Duffy.
    Wahrscheinlich hätte ich euch zu jedem gewünschten Zeitpunkt zurückholen können, aber das dreizehnte Jahr war natürlich am besten dafür geeignet. Der Teufel wünschte, daß wir auf dieses Jahr warten sollten, auf ein Jahr, in dem jeder von euch sich zum erfolgreichen Bürger entwickelt hatte, der glücklich dahinlebte und längst nicht mehr an vergangene Zeiten dachte —«
    »Glücklich!«  Duffy erstickte beinahe an dem Wort.
    »Ach ja. Das war wirklich eine gewisse Überraschung für mich. Ich war ganz betroffen, daß ich nicht schon früher über deine liebe Frau informiert gewesen

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