Nacht der Vampire
Urheber dieser Fährte oft hier gewesen. Einmal brach die Spur plötzlich ab, als seien ihre Urheber über dem See verschwunden. Aber Roxanne lief unbeirrt weiter, und bald stiegen ihr wieder scharfe Gerüche in die Nase. Sie begriff, daß es nichts schadete, wenn sie die jüngste Fährte verlor: alle schienen letzten Endes zum gleichen Ziel zu führen.
In der Ferne flackerte ein Licht.
Sie wußte kaum, wo sie war: irgendwo im Wald, in der Nähe von Sanscoeur. Das unruhige Licht wurde heller. Und mit einem Mal war der Verwesungsgestank so stark, daß er ihr den Atem verschlug.
Sie sah eine Lichtung. In der Mitte der Lichtung brannten an den Spitzen eines Dreiecks drei Feuer. In der Mitte des Dreiecks stand eine Frau, die nur mit einem roten Mantel oder Umhang bekleidet war. Eine Kapuze verdeckte ihr Gesicht.
Rund um die drei Feuer standen ungefähr zwölf Männer und Frauen in schwarzen Kapuzenmänteln. Bis auf ihre nackten Körper sahen sie wie riesige Fledermäuse aus, die mit gefalteten Schwingen aufrecht standen.
Ein Geheimbund, begriff Roxanne. Die Frau in Purpur zelebrierte irgendwelche Riten. Sie bediente sich dazu einer primitiven Sprache, die Roxanne fremd war. Die anderen fielen in derselben Sprache ein. Aber das war nicht alles, was Roxanne auf der Lichtung sah.
Sie schrie beinahe auf, als sie Duffy erblickte, der am Ende der Lichtung an einen Baum gefesselt war. Ihm gegenüber kniete Ward Douglas. Sie hätte ihn kaum erkannt. Wenige Schritte von ihm entfernt sah sie Jeanne Douglas.
Und die Fledermäuse.
Sie erkannte sie auf den ersten Blick. Sie wußte, daß von ihnen der ekelerregende Geruch ausging. Genauso wußte sie, daß es diese Geschöpfe gewesen waren, die sie nachts über das Dach kriechen gehört hatte. Eine hing mit dem Kopf nach unten von einem Baumstamm herab, direkt über Duffy. Eine zweite stand neben ihm und stützte sich auf ihre gefalteten Schwingen. Eine andere stand bei Ward und eine bei Jeanne. Und schließlich kroch eine am Bauch über den Boden und versuchte, sich aufzurichten.
Atemlos verfolgte Roxanne, wie die Frau langsam auf Duffy zuging. Dann blieb sie stehen, als starrte sie ihn im Schutz ihrer Kapuze an. Schließlich ging sie zu Ward, der gebrochen auf dem Boden kniete. Wieder hielt sie an und betrachtete ihn prüfend. Dann ging sie weiter, bis sie vor Jeanne stand.
Sie zeigte auf die junge Frau.
Sofort rissen zwei vermummte Gestalten Jeanne hoch. Eine dritte ohrfeigte sie, als wollte er sie ins Bewußtsein rufen. Roxanne hörte sie erschrocken schluchzen. Andere vermummte Gestalten umringten sie. Sie schienen ihr die Fesseln an Händen und Füßen zu lösen.
Die Gestalt im Purpurmantel hielt sich abseits. Dann klatschte sie in die Hände. Sofort wichen die anderen von ihrem Opfer zurück, als gäben sie es frei.
Jeanne sah wie betäubt um sich. Sie schien nicht zu verstehen, was geschah. Zögernd wagte sie einen Schritt — dann einen zweiten.
Plötzlich begriff sie, daß sie frei war, und rannte auf die schützende Dunkelheit des Waldes zu.
Im selben Moment schwang sich eine der Fledermäuse in die Lüfte. Blitzartig umkreiste sie die Lichtung und schoß auf Jeanne hinab, die aufschrie und auf die Knie fiel. Kaum stand Jeanne wieder auf und lief in die entgegengesetzte Richtung, breitete auch schon die zweite Fledermaus die Schwingen aus. Wieder wurde Jeanne der Fluchtweg abgeschnitten.
Binnen kurzem hatte ein Dutzend der riesigen Fledermäuse die Verfolgung aufgenommen und terrorisierten und peinigten Jeanne. Sorgfältig aufeinander abgestimmt schossen sie durch den Feuerschein und trieben sie von einer Seite der Lichtung zur anderen, ohne sie jemals ganz entkommen zu lassen. Ihr verzweifeltes Schreien ging völlig in dem irren, erstickten Gelächter und nasalen Schnattern der Fledermäuse unter.
Schließlich war sie zu erschöpft, um zu schreien. Nur mit größter Mühe hob sie einen Arm, um ihre Peiniger abzuwehren. Als sie wieder stürzte, war sie zu schwach, um sich noch einmal zu erheben.
Die Hexe im Purpurmantel zischte befehlend: »Tötet!«
Sofort ließ sich eine Fledermaus auf Jeannes Brust nieder. Roxanne sah, wie das häßliche Geschöpf den Kopf wandte und nach Jeannes Kehle schnappte. Jeannes Schrei war kaum mehr als ein verstörtes Blöken.
Dann stürzten sich alle Fledermäuse auf sie.
Roxanne biß sich auf die Lippen, um nicht laut aufzuschreien. Entsetzt wandte sie sich ab. Sie sah eben noch, wie die purpurrote Kapuze herabglitt und
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