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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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minder kalt.
    »Die Feste Vlarachia«, sagte ihr Führer. Er setzte sein
Maultier wieder in Schritt, während Celestes Gebete zu einem panischen Crescendo anschwollen.
    Die Feste Vlarachia. Sie endlich zu Gesicht zu bekommen schien Alcy unfassbar, was insofern merkwürdig war, als ihr der Plan ihres Vaters überaus vernünftig und realistisch vorgekommen war, als er ihn ihr vor knapp einem Jahr unterbreitet hatte. Das Vorhaben war ihr auch dann noch praktikabel und – Alcy machte sich da nichts vor – recht romantisch erschienen, als sie die ersten schüchternen Briefe mit jenem Mann gewechselt hatte, der sich ihr als János vorgestellt hatte, derweil ihr Vater unauffällig und so, wie sie es vereinbart hatten, die finanziellen Fragen geregelt hatte. Ein unantastbarer Pflichtteil für die Braut, und der Rest der Mitgift unter der Bedingung der Eheschließung als Treuhandvermögen an den Baron. Mit dieser Sicherheit im Hintergrund hatte sie sich ihren Träumen hingegeben. Weswegen die lange Reise von England nach Wien und von dort die Donau hinab auch vom ersten Augenblick an das strahlende Glitzern eines Mädchentraums besessen hatte, dem weder die hässliche Sorge um das schnöde Geld noch die Anstrengungen der Reise etwas hatten anhaben können. Der Traum war ihr wichtiger gewesen als alles andere in ihrem Leben.
    Doch dann, als die Barkasse Orsova erreicht hatte, war über dem Fluss der Nebel aufgestiegen und hatte Alcy in ein undurchdringliches Gefühl der Unwirklichkeit gehüllt. Von dem Augenblick an, als sie auf den Kai getreten war, konnte sie nicht mehr glauben, dass all das auch wirklich geschah. Und das seltsame Duo, das sie am Kai erwartet hatte, hatte dieses Gefühl nur noch verstärkt.
    Es wird Sie jemand an den Docks abholen , hatte János ihr
in seinem letzten Brief versichert. Und es hatte sie auch wirklich jemand erwartet. Doch János hatte ihr nicht mitgeteilt, dass sie keinen livrierten Kutscher vorfinden würde, der sie das kurze Stück zu einem Herrenhaus oberhalb der Stadt fahren würde, sondern ein grobschlächtiges Paar, das sie in die Tiefen der Wildnis führen würde, und zwar auf dem Rücken eines Maultiers, das Gepäck auf vier Kamele geschnallt – vier richtige Kamele! -, die hinter ihr hermarschierten. Was für ein Jammer, dass Tante Rachel krank geworden und mit ihrer Gesellschafterin und einem Lakaien in Wien zurückgeblieben war. Trotz ihrer Angst bedauerte Alcy, dass ihr die Reaktion von Tante Rachel entging. Der Kameltreiber sprach keine ihr vertraute Sprache, und ihr Führer schien nur wenige Brocken Deutsch zu beherrschen, das er zudem nur widerwillig benutzte – in der Regel, um ihr zu versichern, dass sie ihr Ziel bald erreicht hätten, sehr bald sogar.
    Und jetzt stand sie ihm gegenüber.
    Als sie wieder in den Wald eintauchten, versank Alcy benommen in einem Gewirr aus Gedanken und Gefühlen; sie war zum ersten Mal verunsichert, ob es klug gewesen war, dem Vorhaben zuzustimmen. Sie fasste reflexartig an ihre Halskette und legte die Finger um das Medaillon. Sie hatte während der letzten vier Monate so viel Zeit damit verbracht, die Miniatur zu betrachten, dass sie sich das Porträt des Mannes als perfekte Reproduktion ins Gedächtnis rufen konnte. In England hatte sie den zarten verschwommenen Goldschimmer, der sein Gesicht umstrahlte, für atemberaubend gehalten, doch jetzt setzten ihr die grotesken Möglichkeiten zu, die sich hinter der Ungenauigkeit des Porträts verbargen.

    Sie schob das Bild zur Seite, blätterte stattdessen im Geiste die liebevollen, wenn auch distanzierten Briefe durch, die er ihr geschrieben hatte, und versuchte sich zu beruhigen, indem sie sich den Charakter ausmalte, der hinter den sorgsam respektvollen Phrasen stecken musste. Ganz in Gedanken versunken, bemerkte sie erst, als ihr Maultier stehen blieb, dass sie den Abhang umrundet hatten und am Schloss angelangt waren.
    Der Pfad hatte sich zu einer Straße verbreitert, die von dem Schlund im Bollwerk der Festung geschluckt wurde. Direkt vor ihnen ragte das geschlossene Tor auf, als müsse es eine Armee abwehren. Das Eichenholz war schwarz vom Alter – und vielleicht auch wegen des kochend heißen Pechs, das sich auf so manchen Feind ergossen hatte und dabei an die Planken gespritzt war. An beiden Seiten der Tortürme zog sich eine endlose Außenmauer hin, grau und kahl unter dem wolkenverhangenen Himmel.
    Bleiben wir jetzt einfach hier stehen, bis uns drinnen jemand bemerkt?, fragte sich

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