Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beautiful Losers

Beautiful Losers

Titel: Beautiful Losers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Cohen
Vom Netzwerk:
1.
    Wer bist du, Catherine Tekakwitha? Bist du überhaupt? 1656 bis 1680 – genügt das? Bist du die heilige Jungfrau der Irokesen? Bist du die Lilie am Ufer des Mohawk-Flusses? Darf ich dich auf meine Weise lieben? Ich bin zwar ein Gelehrter, nicht mehr der Jüngste, aber ich sehe heute besser aus als in meiner Jugend. Dem Gesicht hat es nicht geschadet, dass ich den ganzen Tag auf dem Arsch sitze. Ich bin hinter dir her, Catherine Tekakwitha, ich möchte wissen, was unter deiner Rosendecke vor sich geht. Habe ich ein Recht darauf? Ich habe mich in dein Heiligenbildchen verliebt. Du standst in einem Birkenhain, Birken sind meine Lieblingsbäume. Deine Mokassins waren bis Gott-weiß-wohin geschnürt. Hinter dir ein Fluss, bestimmt der Mohawk. Vorn links zwei Vögel, die sich gefreut hätten, wenn du ihnen die weißen Kehlchen gekitzelt, wenn du sie in eins deiner Gleichnisse eingearbeitet hättest. Was gibt mir eigentlich das Recht, dir nachzustellen? Mein Kopf ist zugemüllt mit fünftausend Büchern. Ich komme kaum noch aus der Stadt heraus, kannst du mir nicht helfen beim Bestimmen der Bäume? Kennst du dich mit halluzinogenen Pilzen aus? Vor ein paar Jahren ist Marilyn gestorben, eine richtige Dame, ich wage zu behaupten, dass ihr in vierhundert Jahren auch jemand nachstellen wird, vielleicht sogar einer meiner Nachfahren. Aber im Moment bist du es, die sich im Himmel besser auskennt. Hat er Ähnlichkeit mit diesen kleinen, blinkenden Plastikaltären? Es würde mich gar nicht stören, ehrlich. Sind die Sterne doch nur ganz winzig? Kann ein alter Gelehrter noch die große Liebe finden, damit er sich nicht jeden Abend einen runterholen muss, um einschlafen zu können? Ich habe aufgehört, die Bücher zu hassen. Das meiste, was ich gelesen habe, habe ich längst wieder vergessen. Es kam mir ohnehin immer ziemlich unwichtig vor, unwichtig für mich und für die Welt. Wenn mein Freund F. high war, hat er immer gesagt: Wir müssen es wagen, nur bis zur Oberfläche vorzudringen, nicht weiter. Wir müssen lernen, den Schein zu lieben. F. ist in einer Gummizelle gestorben, der ganze dreckige Sex hatte sein Gehirn faulig gemacht. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie sein Gesicht schwarz wurde. Von seinem Schwanz ist wohl auch nicht viel übrig geblieben, wie die Eingeweide eines Wurms soll er ausgesehen haben, das hat zumindest die Krankenschwester behauptet. Prost, F., alter, vorlauter Freund! Ich bin gespannt, ob man sich an dich erinnern wird. Und was dich angeht, Catherine Tekakwitha, ich bin ja ausgesprochen menschlich, und als Mensch leide ich unter Verstopfung, das kommt davon, ich bewege mich ja kaum noch. Jetzt weißt du es. Es sollte niemanden wundern, dass ich mein Herz in das Birkenwäldchen hinausgeschickt habe. Ich bin ein alter Gelehrter, der nie viel Geld verdient hat. Kein Wunder, dass ich in das Farbfoto steigen will, das diese Postkarte schmückt.

2.
    Ich habe einen guten Ruf als Volkskundler, meine Arbeiten über den Stamm der A–––––– gelten als wegweisend. Ich verrate nicht, wie sie heißen, ich will sie ja nicht blamieren. Es gibt höchstens noch zehn vollblütige A––––––s, vier davon sind Mädchen, die die Volljährigkeit noch nicht erreicht haben. F., so viel muss ich verraten, hat meine besondere Stellung als Anthropologe ausgenutzt und sie alle gefickt. Die Rechnung dafür hast du ja bekommen, alter Freund. Die A––––––s, oder vielmehr was von ihnen übrig geblieben ist, sind erst seit dem fünfzehnten Jahrhundert bezeugt. Sie haben eine Schlacht nach der anderen verloren, das ist ihre Geschichte. In den Sprachen der Nachbarstämme bedeutet der Name A–––––– so viel wie Leiche. Nichts deutet darauf hin, dass dieses glücklose Volk jemals eine Schlacht gewonnen hat, die Lieder und Legenden ihrer Feinde hingegen sind ein einziger, anhaltender Siegesjubel. Sicher hängt es mit meiner Persönlichkeit zusammen, dass ich mich gerade auf dieses Verliererpack spezialisiert habe. Wenn F. vorbeikam, um sich Geld zu leihen, hat er immer gesagt: Danke, ihr alten A––––––s! Hast du das gehört, Catherine Tekakwitha?

3.
    Ich bin gekommen, um dich aus den Händen der Jesuiten zu befreien, Catherine Tekakwitha. Ja, auch alte Gelehrte haben noch hehre Ziele. Leider ist mein Latein etwas eingerostet, sonst wüsste ich, was sie heutzutage über dich erzählen. »Que le succès couronne nos espérances, et nous verrons sur les autels, auprès des Martyrs

Weitere Kostenlose Bücher