Nacht des Verfuehrers - Roman
über Adelstitel nachzulesen? »Also Baron Benedek?«
»So ist es.« Die Worte waren tonlos. Er sah sie von oben bis unten an, besitzergreifend, abschätzig. Und sie erstarrte unter seinem prüfenden Blick, während ihr erneut die Hitze in die Wangen stieg, auch wenn die Wärme nichts mehr mit Verlegenheit zu tun hatte. »Willkommen im Schloss, Miss Carter. Sie sind sicher schon sehr gespannt auf Ihr neues Zuhause. Ich sorge später für eine Besichtigungstour, aber jetzt werden wir in der Kapelle erwartet. Der Pfarrer ist schon eine ganze Weile da.« Er schenkte ihr ein zähnefletschendes Lächeln, bevor er mit ihr zum nächstgelegenen Gebäudeflügel in der Mitte der Festung ging.
»Der Pfarrer?«, platzte sie heraus, während sie hastig hinter ihm herstolperte, bevor er sie womöglich zog. Er konnte doch nicht vorhaben, sie jetzt auf der Stelle zu heiraten! Sie hatte den Mann gerade erst kennengelernt. Sie musste sich von der Reise erholen und brauchte etwas Zeit, um sich an ihn zu gewöhnen. Und dann waren noch so viele Vorbereitungen zu treffen – Gäste einladen, das Unterhaltungsprogramm für die Hochzeit arrangieren, die ersten Empfänge für den benachbarten Adel geben, ganz zu schweigen von den Vorbereitungen für ihre Hochzeitsreise an den strahlenden, rauschenden Kaiserhof in Wien. Ein solches Vorhaben ergab keinen Sinn, schließlich wollte auch er sie besser kennenlernen, außerdem musste sie, bevor die Eheschließung überhaupt rechtmäßig werden konnte, zum römisch-katholischen Glauben übertreten.
Moment – das war es doch! Der Pfarrer wollte sie firmen. Aber sie war sich sicher, dass sie erst noch Religionsunterricht nehmen musste oder irgendetwas in der Art –
da gab es bestimmt mehr zu tun, als sich an einem Nachmittag erledigen ließ.
»Warum unsere glückliche Vereinigung nur einen Augenblick länger als nötig hinausschieben?«, sagte Baron Benedek, als bereite ihm die Vorstellung keine Schwierigkeiten.
Er konnte doch nicht ihre Hochzeit meinen! Alcy machte den Mund auf, doch es kam kein Ton heraus.
Der Baron fuhr munter fort. »Ich führe schließlich einen Junggesellenhaushalt, und es wäre für Sie äußerst unziemlich, bei mir zu übernachten, ohne mit mir verheiratet zu sein.« Er bedachte sie mit einem verwegenen Blick. »Da wir gerade von Unziemlichkeiten sprechen, wo ist eigentlich Ihre Anstandsdame verblieben?«
»Tante Rachels Gicht wurde unerträglich, und sie war gezwungen, mit ihrer Cousine in Wien zurückzubleiben und mich alleine weiterreisen zu lassen.« Alcy versuchte angemessen scheu zu klingen, doch die Frage ärgerte sie, denn schließlich hätte er derjenige sein sollen, der sein unorthodoxes Benehmen rechtfertigte und nicht sie. »Ich habe stattdessen zur Begleitung meine Zofe dabei. Da wir verlobt sind, dürfte ihre Anwesenheit ausreichen.«
Sie passierten die breite Doppeltür am Ende des Flügels und traten in eine riesige romanische Halle. Alcy blieb keine Zeit zum Staunen, denn der Baron verringerte nicht einmal, als er ihr Zögern bemerkte, seine Schrittgeschwindigkeit, und Alcy musste ein paar Stufen nach oben laufen, sonst hätte er sie an ihrem Arm, den er immer noch fest an seine Seite drückte, einfach hinter sich hergezerrt.
»Nur noch ein Grund mehr, um auf der Stelle zu heiraten«, sagte er.
»Aber das können wir nicht!«, wandte Alcy ein. Der Mann schenkte ihr einen fragenden, gelangweilten Seitenblick, und Alcy biss sich auf die Unterlippe und suchte nach einem nicht ganz so streitsüchtigen Argument. »Ich muss wenigstens noch mein Brautkleid anziehen«, platzte sie heraus. Der Ausruf war unsinnig, und sie biss sich, kaum dass er draußen war, nur noch fester auf die Lippen, aber er war der erste zusammenhängende, nicht ganz so vorwurfsvolle Gedankengang, den sie dem wirren Durcheinander aus Widerständen abringen konnte, das in ihrem Kopf herrschte.
»Das dürfen Sie für unser Hochzeitsporträt anziehen«, versicherte ihr der Baron im Tonfall eines Erwachsenen, der ein Kind beruhigt.
Alcy unterdrückte einen Anfall aus Wut und Irritation – Wut, weil sie sich seicht und oberflächlich angehört haben musste, Irritation, was seinen Tonfall betraf. Sie holte zur Beruhigung Luft und nahm ein weniger anstößiges Hindernis ins Visier. »Aber ich bin immer noch Anglikanerin. Bevor wir rechtmäßig heiraten können, muss ich noch konvertieren.«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte der Mann, während sie einen engen, düsteren Korridor
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