Nacht ueber den Highlands
entschlossen an seinen dichten schwarzen Haaren.
Stryder versuchte sich fluchend aus ihren Krallen zu befreien.
»Nein, ich werde seine Herzensdame, das stimmt doch, oder, Mylord?«
Da die Damen so laut kreischten, brauchte Stryder glücklicherweise nicht zu antworten. Die Vertreterinnen des zarten Geschlechts hingen wie Kletten an ihm, zerrten an seiner Weste und an seinem Umhang und versuchten dabei immer wieder, ihm diverse Liebesgaben in die Rüstung oder unter den Helm zu stecken.
Oder an noch intimere Orte ...
»Ui, ich habe eine Locke von seinem Haar erwischt!«, kreischte eine der Damen entzückt und fiel prompt in Ohnmacht.
Die anderen trampelten ungerührt über sie hinweg; einige versuchten gar, der Gefallenen die Locke wegzunehmen. Die vorgeblich Ohnmächtige biss prompt zu, sprang auf und machte sich mit ihrer Trophäe auf und davon.
Daraufhin brach erst recht die Hölle los, da nun alle anderen ebenfalls ein Stück Graf haben wollten.
Stryder wollte keiner der Frauen wehtun, doch schien es schier unmöglich, sich ihrer ohne Anwendung von Gewalt zu entledigen.
»Meine Damen, meine Damen!«, rief da plötzlich eine klangvolle männlich Stimme.
»Ich bitte um Rücksicht, Seine Lordschaft muss zur Beichte, um sich die Vielzahl seiner Sünden vom Gewissen zu laden!«
Als Stryder die Stimme seines Freundes, Christian von Acre, erkannte, huschte über sein gewöhnlich so ernstes Gesicht ein freudiges Lächeln. Er hatte seinen Kameraden seit fast drei Jahren nicht mehr gesehen.
Die Damen ließen schmollend von ihm ab und machten dem Neuankömmling Platz, der eine schwarze Mönchskutte trug.
Doch als sie sahen, wie groß und stattlich der unbekannte Mönch war, erhellten sich die meisten der weiblichen Mienen wieder.
»Wie schade, dass er ein Mönch ist«, flüsterte eine vernehmlich.
»Kannst du laut sagen«, stimmte eine andere zu.
Die Ladies wussten glücklicherweise nicht, dass die Kutte nur eine Verkleidung war, die Christian anlegte, um seine wahre Identität zu verbergen.
Einen Hinweis darauf gaben die Sporen, die gelegentlich unter dem langen Saum seines Gewandes hervorschauten. Auch wies das unter der weiten Kapuze versteckte, dichte blonde Haar keine Tonsur auf. Nein, er war kein Mönch, sondern einer der besten Schwertkämpfer, die Stryder je kennen gelernt hatte.
Außerdem war Christian von Acre in Wahrheit ein
Prinz, der Kronprinz von Byzanz, dem Heimatland seiner Mutter.
»Mein lieber Abt«, sagte Stryder und schüttelte erfreut die Hand des Freundes. »Wie lange ist es jetzt her?«
»Zu lange«, entgegnete Christian, packte Stryders Arm und klopfte ihm begeistert auf die Schulter. »Doch scheint mir, dass sich wenig geändert hat, was dich betrifft.« Christians stahlblaue Augen glitten über die hingerissen lauschende Damenschar.
Stryder seufzte erschöpft auf. »Wie wahr, wie wahr.«
»Bruder?« Eine zierliche kleine Brünette mit üppigen Kurven richtete diese Frage an den falschen Abt. Der Ausdruck auf ihrem Gesichtchen verriet Christian, dass sie beide, wenn er nur willens wäre, noch vor dem Ende des Vormittags selbst einen Priester bräuchten, der ihnen die Beichte abnähme. »Dürfte ich später vielleicht auch meine Beichte bei Euch ablegen?«
In Christians Augen glomm ein jäher, lüsterner Funke auf. Stryder konnte sehen, wie er sich die Sache durch den Kopf gehen ließ.
Doch seine Antwort entsprach ganz dem, was Stryder von ihm erwartet hätte. Obwohl die Kutte nur eine Verkleidung war und man ihn deswegen für einen Glaubensverräter halten konnte, hatte er viel zu viel Respekt vor den Patres, bei denen er erzogen worden war, um die Heiligkeit der Robe dadurch zu entweihen, dass er im Habit den Lockungen einer Dame nachgab. »Leider nein, Mylady. Aber wie ich hörte, hat der hiesige Priester noch einige Termine frei.«
Auf ihrem Gesichtchen machte sich unübersehbare Enttäuschung breit.
»Wenn die Damen uns jetzt entschuldigen würden ...« Christian durchbrach den Kreis der holden Weiblichkeit und ging zusammen mit seinem Freund auf das Zeltlager der Ritter zu, das auf einem Hügel außerhalb der Burgmauern aufgeschlagen worden war.
Mehr als dreihundert Ritter hatten sich in diesem Herbst in Hexham eingefunden, um sich einen Monat lang in Turnierkämpfen miteinander zu messen. Das Turnier fand jedes Jahr statt, doch im Gegensatz zu den anderen Rittern war Stryder nicht des Ruhmes und der Ehre wegen angereist - davon hatte er in seinem bisherigen Leben
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