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Onkel Deprius dunkles Erbe

Onkel Deprius dunkles Erbe

Titel: Onkel Deprius dunkles Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Tonollo
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Merkwürdige Vitamine
     
    »Schmeißfliegensalat …!«, nörgelte Pampe angewidert und schob seinen Salatteller zurück zur Tischmitte. »Jede Woche Schmeißfliegensalat …«
    »Tja«, freute sich sein Zwillingsbruder Palme hämisch, »dann gibt’s für dich wohl auch keinen Quallenpudding zum Nachtisch – und da Polly so was bekanntlich nicht isst, gehört der jetzt auch noch mir.«
    Prospera Rottentodd sah ihre beiden Söhne mit eisigem Blick an. Ihre tiefschwarzen stark geschminkten Augen funkelten gefährlich. Sie stützte langsam die Ellbogen auf den Tisch und verschränkte ihre mit goldenen Ringen verzierten, dürren Finger so ineinander, dass sich die langen spitzen Fingernägel in ihre Handrücken bohrten. Dann reckte sie ihr Kinn leicht in die Höhe, ihre dabei deutlich hervortretenden Wangenknochen waren kein gutes Zeichen. Die kleine Küche der dunklen Altbauwohnung schien plötzlich bedrückend eng. Da Frau Rottentodd ihre drei Kinder stets mit vollem Namenansprach, sagte sie jetzt leise und mit drohendem Unterton: »Mein teurer Pamphilius! Ich bereite diesen Salat seit nunmehr 300 Jahren zu. Und das aus gutem Grund: Schmeißfliegensalat hat nämlich einen außergewöhnlich hohen Gehalt an pechschwarzem Eiweiß und ist außerdem reich an den lebenswichtigen Vitaminen QQ2 und Y7.
    Das wiederum bedeutet, dieser Salat ist nicht nurgesund …«, sie machte eine kurze, gewichtige Pause, beugte sich leicht nach vorne und fügte dann vorwurfsvoll hinzu: »… sondern er schmeckt auch hervorragend!«

    Pampe zuckte mit den Schultern und zog den alten, trüben Glasteller mit dem vitaminreichen Salat zu sich. »Polly muss ihn aber auch nicht essen.«
    Frau Rottentodd seufzte einmal tief, steckte sich eine besonders fette Schmeißfliege in den Mund und antwortete genervt: »Bitte, nicht wieder dieses Thema! Pollyxenia ist nun mal nicht wie wir, das können wir nicht ändern. Eine Laune der Natur.«
    Sie holte mit ihren spitzen Fingernägeln ein Fliegenbein aus ihrem Mund, sah es prüfend an und streifte es an einer Serviette ab. Dann wandte sie sich ihrer Tochter zu. »Das bedeutet natürlich nicht, dass wir dich weniger lieben als Pamphilius und Palmatius, mein Kind. Nur weil du tragischerweise so rasend schnell alt wirst, genau wie diese Menschen, mit denen du so viel gemein hast.«
    »Na, so rasend schnell kommt mir das nicht gerade vor«, erwiderte Polly und rollte einige der eigens für sie zubereiteten Spaghetti mit ihrer Gabel auf. »Ich hätte überhaupt keine Lust, so alt zu werden wie ihr. Und das auch noch im Schneckentempo.«
    »Bei dir ist halt mit 80 Ende«, meinte Palme. »Da werde ich doch lieber 800!«
    »Vielleicht werde ich ja auch über 90«, entgegnete Polly. »Das ist mir allemal lieber, als 800 Jahre lang Schmeißfliegensalat essen zu müssen!«
    »Pollyxenia!«, rief ihre Mutter und schlug mit der Hand auf die Tischplatte, dass die Teller klapperten. »Wir können stolz darauf sein, dass wir Rottentodds aus einer sehr langen Linie von Hexen, Zauberern und allerlei anderen Wesen abstammen, und uns glücklich schätzen, wie die meisten unserer Ahnen älter als 700 Jahre zu werden. Und auch wenn wir im Laufe der letzten Jahrhunderte bedauerlicherweise unseremagischen Fähigkeiten verloren haben …«, sie stutzte einen Augenblick, »… jedenfalls wüsste ich nicht, welche wir noch haben könnten …«, jetzt lächelte Prospera Rottentodd wieder versöhnlich, »… unsere Essgewohnheiten haben wir zum Glück beibehalten – der vielen Vitamine wegen und natürlich aufgrund des guten Geschmacks. Und unsere große Vorliebe für alles Dunkle, Alte …«
    »Jaja«, unterbrach Polly den Vortrag ihrer Mutter und stöhnte gelangweilt auf. Im selben Moment klingelte es schrill an der Wohnungstür – und es hätte Polly nicht gewundert, wenn auch das eine Folge des Wutausbruchs ihrer Mutter gewesen wäre.
    Doch es war der Briefträger.
    »Ein Einschreiben für Herrn und Frau Rottentodd«, sagte er wichtigtuerisch, nachdem Prospera ihm die Tür geöffnet hatte. »Pa…trizius und Pro…spera«, fügte er stotternd hinzu.
    »Ein Einschreiben?«, staunte Frau Rottentodd. »Da brauchen Sie sicher meine Unterschrift, nicht wahr?« Sie forderte den Postboten mit einer Handbewegung auf ihr in die Küche zu folgen.
    Der junge Mann ging mit forschem Schritt zum Esstisch, während er Frau Rottentodd einen Kugelschreiber und das Formular übergab. Dabei fiel sein Blick auf die noch halb volle Salatschüssel.

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