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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Grundstimmung des Lebens, über der auch die Wellen der Freude spielen konnten. Joe legte seine Hand auf die verarbeitete, schon runzlige der noch jungen Schwester, und Margret sprach aus, woran die Geschwister zu denken pflegten, wenn sie allein beieinander waren. »Sieger in Calgary! Wenn unsere Mutter das noch erlebt hätte.«
    Joe antwortete nicht gleich. Es entstand ein verbindendes Schweigen, und die Gedanken der Geschwister liefen viele Wege zurück. Erinnerungen an Liebe, Stolz, indianische Weisheit, an das Unglück und den Tod der Mutter hatten Bruder und Schwester in einer bitteren, für sie selbst gefahrdrohenden Zeit aufrecht gehalten und aneinander gekettet, auch wenn sie sich nur selten sahen. In dieser Stunde, in der Margret die Maske der Lustigkeit ablegte, und ihre Augen nicht mehr verbargen, daß sie schwer an ihrem Leben zwischen Gebären, Stillen und Hungern trug, war auch Joe offener und weicher gestimmt. Die widerstreitenden Kräfte und Eindrücke von Büffelranch, Calgary und Cadillac, von Verbrechen und Elend hatten ihn aufgerissen, und vor der Schwester versteckte er die Wunden nicht. Margret fühlte seine Stimmung.
    »Damals«, sagte sie, »als du zum erstenmal im Gefängnis warst, hat die Mutter dich nie besucht… der Vater ließ sie nicht wissen, wo du bist und auch nicht den Tag, an dem du entlassen wurdest. Nachdem Winonah den Großvater getötet hatte, schaute der Vater sie nicht mehr an. Die Gesetze halfen ihm.«
    »Ich spürte, daß es so sein mußte. Darum kam ich einmal zu euch, später.« Joe blickte zu Boden, zu scheu, um die Schwester bei seiner Beichte anzusehen.
    »Als du schon ein Gangster warst, kamst du. In einem Buick.«
    Joe lächelte verstohlen, in einem Anflug von Spott, mit dem er sich gegen sich selbst wehrte. »Falsch. Das erstemal in einem Ferrari. Mein Vorgänger war ein Italiener gewesen, der für Mike immer italienische Wagen besorgte.«
    »Joe, du konntest fahren und schießen und mit dem Messer spielen und ringen wie der Teufel. Manche der Unsern hat es vor dir gegraut, und sie sagten, du habest auch eine schwarze Maske wie ein böser Geist. Die weißen Männer und unsere Buben aber haben dich bewundert. Verachtet und verspottet hat dich keiner mehr.«
    »So war es und so sind sie. Der angebliche Dieb und der Rowdy und Sitzenbleiber Joe hat sich durchgesetzt.«
    »Wie ist das bloß gekommen?«
    »Ja, wie ist das gekommen. Im Gefängnis hat mich ein Rechtsanwalt, ein Gangsteranwalt, als Mitgefangenen entdeckt, als ich in Sachen einer Organisation unter den Gefangenen trotz allen Druckes den Mund hielt. Ich habe ihm auch einmal drei andere Gefangene vom Hals gehalten, als sie ihn verprügeln wollten. Kluger Kopf ist er gewesen, aber undiszipliniert. Machte zuviel private Späße und soff zuviel; war in eine alberne Sache hineingeraten und saß für drei Jahre in unserem altväterischen Gefängnis, wo ihn nur zwei kannten. Er hat mir im Gefängnis Englisch beigebracht und mich über Prozeßregeln und Verhörmethoden bestens informiert. Damit vertrieb er sich die Zeit und den Ärger über sich selbst. Noch ehe wir freigelassen wurden, empfahl er mich durch seine Mittelsmänner schon an Mike, der noch immer etwas von ihm hielt. Mike hatte seinen Fahrer und Leibwächter verloren, den Italiener Eugenio, der eines Tages tot am Steuer saß, das eigene Stilett im Rücken. Mit dem Ersatzmann war der Boss nicht zufrieden. Ich kam zu Mike, und der Boss setzte drei Lehrer auf mich an.«
    »Von denen hast du das alles gelernt.«
    »Ich weiß nicht, ob du dir denken kannst, wie es in mir aussah. Die Mutter hat es gewußt. Ich haßte. Ich wollte lernen, mich zu rächen. Zuerst aber hatte ich meine Lehrer kennenzulernen. Sie wollten mich nicht nur fertig machen wie – nun wie etwa einen Ranger in der Ausbildung. Dem war ich gewachsen; schießen konnte ich schon, und darben und schnell sein hatte ich bereits als Kind zur Genüge gelernt. Aber sie wollten mich in die Grube bringen, den hergelaufenen farbigen Burschen, den Außenseiter. Im Auftrag oder aus Eifersucht – weiß es bis heute nicht. Das ging so, bis der Karate- und der Revolvermann selbst zur Hölle fuhren und der dritte mir endlich das Fahren beibrachte, wie es sich gehörte. Damit war ich fit für Mike als Fahrer und als Leibwächter. Ich übernahm das Stilett, den Wagen und die Blutrache. Kein ruhiger Job. Fast hätte ich das Träumen verlernt.«
    »Wer war dieser Mike?«
    »Präsident in einem mittleren

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