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Nachtengel

Titel: Nachtengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danuta Reah
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kleine Abteilungen, die sich gerichtsmedizinischer Aufträge annehmen«, sagte er. »Und es gibt einige Privatunternehmen. Wir sind eine akademische Institution. Wir müssen dieses Geld« – den Zuschuss, den Joanna für die Gruppe losgeeist hatte – »verwenden, um die Forschungsarbeit, die wir bisher betrieben haben, auszudehnen. Ich strebe nicht an, unsere forensische Arbeit einzustellen, aber ich glaube, wir können sie innerhalb der bestehenden Strukturen abwickeln.«
    Joanna lächelte, und Roz fing wieder Lukes Blick auf. Er tat so, als setze er sich anders hin, und zog dabei den Finger quer über die Kehle. Joanna begann ihre Diapräsentation, sprach kurz über jedes Schaubild und legte dar, wie viel finanzielle und andere Unterstützung sie in den letzten sechs Monaten zusammenbekommen hatte. Ihre Tabellen waren so angelegt, dass sie wie nebenbei auch die Mittel zeigten, die Cauldwells komplette Gruppe bekam. Sie erschienen neben den Zahlen, die die Versammelten studieren sollten. Nach den Tabellen, die sie benutzte, hatte ihr kleines Team mehr Universitätsgelder und Drittmittel bezogen, als Cauldwells viel größeres Team in einem Jahr geschafft hatte. Roz wusste, dass diese Zahlen kein realistisches Bild gaben. Peter Cauldwells Gruppe hatte sich mit einem Langzeitprojekt befasst, das jetzt in die Endphase kam, und über die neuen Gelder, die hereinkamen, konnte man entweder noch nicht verfügen, oder sie wurden heimlich, still und leise in andere Kanäle geleitet, damit man sichergehen konnte, dass die Budgets für Personal und Ausstattung gesichert waren. Wie alle guten Abteilungsleiter war Cauldwell ein Genie im vollen Ausschöpfen der Mittel. Aber auf Papier sahen seine Zahlen schlecht aus, und Joanna wusste das.
    Um ein Uhr war alles vorbei. Roz war auf dem Weg zurück in ihr Büro und wurde von der offensichtlich erfreuten Joanna abgefangen. Sie hatte jedes Recht zur Freude, dachte Roz. Allerdings war jetzt vermutlich ein potenzieller Dolchstoß von hinten ihr Hauptproblem. Sie erinnerte sich an Cauldwells verdrießliches Gesicht. Er würde Joanna – oder ihnen allen – nicht so bald vergeben.
    »Es ist gut gegangen. Mit Cauldwells Kritik hab ich kurzen Prozess gemacht«, sagte Joanna vergnügt. »Wir kriegen jetzt unsere zusätzlichen Kräfte, und wenn nicht, dann weiß ich auch, warum.« Sie schaute, zerstreut und schon mit weiteren Plänen beschäftigt, in die Ferne. »Wir werden mehr Platz brauchen. Das ist erst der Anfang.« Dann sah sie Roz scharf an und fragte: »Was ist mit Gemma?«
    Roz war es gewöhnt, dass Joanna plötzlich das Thema wechselte, fragte sich aber, wieso sie erwartete, dass sie mehr über Gemmas Fernbleiben wusste als Joanna selbst. »Ich habe keine Ahnung«, sagte sie. »Vielleicht weiß Luke etwas.«
    Joanna starrte sie weiter durchdringend an. Roz war an dieses seltsame Verhalten gewöhnt und wartete, bis Joanna auf ihre Antwort reagierte. »Luke?«
    Roz seufzte. Bestimmt hatte Joanna bemerkt, dass zwischen Luke und Gemma irgendetwas lief. Gemma war eine ausgezeichnete Wissenschaftlerin. Sie saß viel vor ihrem Computer und vergrub sich in ihren Büchern, war ruhig und zurückhaltend. Nach einiger Zeit an einer russischen Universität, war sie nach Sheffield gekommen, und Roz hatte manchmal das Gefühl, dass Gemmas Ehrgeiz anderen Gebieten galt, obwohl sie sehr gute Arbeit leistete. Dann hatte sie sich mit Luke eingelassen.
    Obwohl Roz versucht hatte, sich nichts daraus zu machen, hatte es sie doch gestört. Roz und Luke waren von der Zeit an, als sie ein Jahr zuvor nach Sheffield gekommen war, gute Freunde geworden. Sie waren allein stehend und wollten sich beide nicht auf eine ernste Beziehung einlassen. Sie hatten einen ähnlichen Geschmack, was Clubs, Tanzen und Musik anging. Luke konnte unbekümmert sein, mit wilden Trinkgelagen befriedigte er seine Neigung zur Ausgelassenheit, und sein gelegentlicher Trübsinn zog sie irgendwie an. Es war eine Freundschaft gewesen, die sie hoch schätzte. Und dann, vor ein paar Monaten, bei etwas zu viel Musik und nach etwas zu viel Wein hatten sie miteinander die Nacht verbracht, eine Vertraulichkeit, die sie vorher immer vermieden hatten, über die sie nie sprachen und vor der Roz seitdem zurückschreckte. Danach war ihr Umgang miteinander etwas unsicher. Als Roz zu Joannas Stellvertreterin befördert wurde, war das eine weitere Erschwernis für ihre Freundschaft, und als er die Sache mit Gemma anfing, war sie auf ein

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