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Nachtklinge: Roman (German Edition)

Nachtklinge: Roman (German Edition)

Titel: Nachtklinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Courtenay Grimwood
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Samtkleidung, das Schwert auf seinem Rücken und das halbnackte Mädchen in seinen Armen bewog die Männer, sich unter gemurmelten Entschuldigungen zurückzuziehen.
    An der Ponte Maggiore schnarchte ein Wachposten auf seinem dreibeinigen Hocker. Seine beiden Doggen hoben misstrauisch die Köpfe, erschnupperten den Geruch von Rosalies geborgtem Hemd und sanken dann auf alle viere zurück.
    Ein junger Priester bekreuzigte sich, als das seltsame Paar vorüberging, und ein Mongole vor der Handelsniederlassung des Khans grinste breit. Der Gestank der Kanäle mischte sich mit dem säuerlichen Dunst der Schenken und dem Schwefelgeruch der Gießereien.
    Außerdem nahm Tycho den Geruch des Gewandes wahr, das die Frau des Küsters nur widerstrebend herausgegeben hatte: gesalzener Fisch, Armut und Muttermilch.
    »Tycho …«
    Überrascht wandte er sich um.
    Eine elegant gekleidete Frau löste sich aus dem Schatten eines Eingangs und eilte auf ihn zu. Beim Anblick des bewusstlosen, halbnackten Mädchens in seinen Armen wich sie zurück und blieb wie erstarrt stehen.
    »Gräfin?«
    Desdaio hatte es die Sprache verschlagen.
    »Wo sind Eure Wachleute?« Tycho ahnte die Antwort bereits. Sie hatte sich ohne Begleiter davongestohlen. Obwohl er Iacopo verabscheute, hätte er Atilos Diener dieses eine Mal gern gesehen.
    »Ist sie tot?«
    »Nein.«
Ja.
    Sie würde auch bald wieder tot sein, wenn es nach Alexa ginge. Töte den Dämon, lautete ihr Befehl. Er würde so tun, als habe er ihn ausgeführt.
    »Sie ist ja noch ein Kind.« Desdaio biss sich auf die Lippen. »Sie stinkt, ihr Kleid hat Löcher. Tycho, was soll das, warum trägst du …«
    »Desdaio.«
    Sie verstummte.
    »Geht nach Hause.«
    Tränen stiegen in ihre Augen, und ihre Lippen fingen an zu zittern. »Du hasst mich«, sagte sie.
    »Nein, keineswegs. Aber es ist spät und es schickt sich nicht, dass Ihr hier seid.«
    »Es schickt sich auch nicht, dass du hier bist«, gab sie zurück. »Jedenfalls nicht mit einem halbnackten Mädchen auf dem Arm. Was hast du mit ihr vor?«
    »Ich werde sie waschen, ihr zu essen geben.«
    »Und sie in dein Bett nehmen?«
    »Desdaio.«
    »Das ist keine Antwort.«
    »Sie hat mir das Leben gerettet, als ich nach Venedig gekommen bin.«
    »Wo war sie seither?«
    »Im Gefängnis«, erwiderte Tycho ohne nachzudenken.
    Zwischen Leben und Tod in der Dunkelheit gefangen, halb erstickt unter Erde, kaum mehr ein Mensch. Wie sollte man das sonst nennen? Desdaios Miene war sanfter geworden. Tycho wusste, was als Nächstes kam.
    »Ich bade sie. Es schickt sich nicht, dass du es tust.«

29
    E lizavet staunte, als Gräfin Desdaio wieder vor der Tür stand. Sie hatte an diesem Abend vergeblich nach Tycho gefragt, war aber anschließend offenbar nicht nach Hause gegangen. Dann eilte die Dienerin davon, um Wasser zu erhitzen und Seife zu holen.
    Auf Desdaios Wunsch wartete Tycho vor dem Schlafzimmer, während sie das Mädchen wusch, bestand jedoch darauf, dass die Tür einen Spalt offen stand. Solange Rosalie bewusstlos war, durfte Desdaio gut gelaunt mit ihr plaudern. Aber wenn sie erwachte, wollte er ein Auge auf sie haben.
    Ich hätte sie töten sollen.
    Den Rücken an die Wand gelehnt, überließ er sich seinen Gedanken.
    Wenn Desdaio nicht aufgetaucht wäre, hätte ich es vielleicht getan.
Allerdings hätte er sie dann ebenso gut auf der Insel umbringen können. Warum hatte er ihr Leben verschont? Ein Ungeheuer in dieser Stadt reichte vollkommen aus.
    Aber Rosalie war nicht wie er. Er war als Ungeheuer geboren, sie hatte man dazu gemacht.
    Mit geschlossenen Augen kämpfte Tycho die plötzlich aufsteigende Übelkeit nieder. Er war schuld an ihrem Schicksal. Natürlich war sie gefährlich, so gefährlich wie er selbst. Aber er brachte es einfach nicht fertig, sie ein zweites Mal in den Tod zu schicken.
    Wenn sie diese Nacht überlebte, würde er sie unter seine Fittiche nehmen.
    Desdaio hatte inzwischen begriffen, dass kein Grund zur Eifersucht bestand, und fand seine Sorge um die Kleine geradezu rührend. Ein weiterer Beweis dafür, dass Tycho keineswegs ein Monster war, wie er selbst behauptete.
    Desdaio glaubte, dass sie ihn verändert hatte. Dabei hatte es keine Veränderung gegeben.
    Als sie fertig war, rief sie ihn herein.
    Rosalie lag auf dem Bett. Sie trug ein seidenes Gewand, das zu groß für sie war. Desdaio bemerkte Tychos Blick und bedeckte das Mädchen mit einem Leintuch. Sie runzelte die Stirn, als Tycho es wieder wegzog.
    »Ihr habt ihr Euer

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