Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
aufmerksam zu, kratzte sich an seiner behandschuhten Hand, und mit jedem Wort vertieften sich die Falten auf seiner Stirn. »Das Amulett war blutverschmiert, habt ihr gesagt.«
»Aye, Torvald sagte, Ihr – der Rabe«, korrigierte sie sich, »habt es Cwen wahrscheinlich vom Hals gerissen.« Eleanor schlug mit der Hand nach einer Fliege, die um ihr Gesicht herumsummte. »Er sagte mir, es sei bestimmt verunreinigt, und ich solle es in dem Wasser waschen, bevor ich es Gunnar berühren ließ.«
»Und das habt Ihr getan?«
Sie nickte.
»Und das ist alles? Da seid Ihr Euch ganz sicher?«
»Ja«, sagte Gunnar.
»Nein«, rief Eleanor plötzlich, und ihre Augen weiteten sich. »Sie hat Euch für Eure Visionen gedankt. Während sie erzählte, dass sie eine Kopie des Amuletts habe anfertigen lassen, bemerkte sie den Raben über sich, und sie dankte Euch für Eure Visionen. Sie sagte, Ihr hättet ihr das Ganze sehr erleichtert.«
»Visionen. Blut.« Ari wiederholte diese Worte wieder und wieder. Als gegen Mittag Durham in Sicht kam, machte er sich noch immer Gedanken darüber. »Meine Visionen. Ihr Blut. Mist!«
»Was?«, fragte Gunnar.
»Ich glaube, ich … Ich muss noch einmal zurück. Könnt ihr …«
»Wir kommen zurecht. Durham ist schon in Sichtweite. Bald werden Percys Männer überall um uns herum sein. Sie wird es nicht wagen, sich uns noch einmal zu nähern. Geh nur.«
Ari wandte den Kopf zu Eleanor. »Verzeiht, Mylady. Aber ich muss unbedingt etwas herausfinden.«
»Dann findet es heraus, aber seid vorsichtig, Sir. Ihr schuldet mir noch meinen Brautkuss.«
»Den werdet Ihr auch bekommen, Mylady. Darauf habt Ihr mein Wort.«
»Geh schon!«, drängte Gunnar. »Geh!«
Sie sahen Ari hinterher, als er davongaloppierte, und dann sahen sie einander an. Nach einem langen Moment des Schweigens ritten sie auf Durham zu.
Nun begann der schwierige Teil.
Kapitel 22
Z ehn Tage später stand Ralph de Neville, Earl von Westmorland, auf der Wiese vor Raby Castle und starrte auf die zwei Dutzend Zelte, die auf seinem Land aufgeschlagen worden waren. Es sah aus wie eine verdammte Belagerung, mit im Wind flatternden Fahnen und aufgestellten Schilden, die die Waffengewalt ihres Besitzers demonstrierten.
Bei seiner Rückkehr vom Hof hatte er das Lager hier vorgefunden, und einzig und allein die Tatsache, dass das größte Zelt Henry Percy gehörte, sowie das Gerücht, dass Eleanor unter den Belagerern sei, hatten ihn davon abgehalten, diesen ganzen Mist gleich am ersten Abend niederzubrennen. Er hatte das Ganze einen Tag lang ignoriert, und dann hatte Percy ihm eine rätselhaft formulierte Einladung zukommen lassen, der er sich nicht widersetzen konnte.
Nun war er hier, in Begleitung seiner Frau, Lady Joan, die Teil von Percys sonderbarer Einladung war. »Kannst du dir schon einen Reim darauf machen, was der Welpe noch will?«
»Nein. Aber wenn du ihm ins Gesicht sagst, dass er ein Welpe ist, solltest du dich nicht wundern, wenn du gebissen wirst.«
»Der hat keine Zähne.«
»Möglicherweise hat er sie dir gegenüber nur noch nicht gezeigt. Wollen wir nun herausfinden, was er möchte?«, entgegnete Lady Joan.
»Natürlich.« Neville streckte einen Arm aus und führte seine Gemahlin zum Zelt des Welpen.
»Er kommt, Mylord, und schnell.«
Henry Percy sah vom Schachbrett auf. »Westmorland allein?«
»Er und seine Countess, Mylord, mit ihrem Reitknecht als Begleitung.«
»Seht zu, dass der Mann sich meinem Zelt nicht nähert – und auch sonst niemand. Ich wünsche absolute Geheimhaltung.« Henry ließ seinen Blick über alle im Zelt Anwesenden schweifen und heftete ihn schließlich auf Eleanors unbewegtes Gesicht. »Sind wir so weit, Mylady?«
Eleanor holte tief Luft und stieß einen Unmut signalisierenden Seufzer aus. »Jawohl, Mylord.«
»Dann schick sie rein.«
Der Knappe entfernte sich, und wenig später waren die Zeltklappen weit aufgeschlagen, während Henrys Steward verkündete: »Ralph, Earl of Westmorland, und Joan, Countess of Westmorland.«
Wie ein Wirbelsturm fegte Westmorland in das Zelt hinein, schleifte seine Frau fast herein, die sich schnellstmöglich von ihm befreite und ihre würdevolle Haltung wiederfand. Henry nahm Eleanors Hand, und gemeinsam gingen sie dem Earl und der Countess bis zur Mitte des Zelts entgegen und begrüßten sie dem höfischen Zeremoniell entsprechend, bevor Westmorland sich umsehen konnte.
»Eleanor«, sagten der Earl und seine Lady im Chor, ein jeder jedoch in
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