Nachtprinzessin
schwulen Freund zu suchen.« Gabriella fuhr ihm liebevoll übers Haar. »Die DNA ist deine allergrößte Chance, tesoro.«
»Die Ergebnisse kommen morgen früh.«
»Wunderbar. Damit kannst du nur noch nicht so furchtbar viel anfangen, weil du nicht weißt, von wem die DNA ist. Ob der Besitzer der Wohnung schuldig oder unschuldig ist, weißt du erst, wenn du seine DNA mit der DNA aus den Spermaspuren vergleichst.«
»Da muss ich einen Antrag stellen, und das dauert Wochen. Freiwillig wird er keinen Speicheltest machen. Er ist ja nicht blöd.«
»Den würde er machen, wenn er unschuldig ist. Sonst nicht. Und das ist ja leider noch kein Beweis.«
»Und auch wenn ich einen offiziellen Test erzwingen sollte, gibt er mir die Speichelprobe und ist fünf Minuten später auf Nimmerwiedersehen verschwunden.«
»Wie recht du hast, amore!« Sie lächelte. »Darum musst du dir auch heimlich eine Probe besorgen. Geh hin, rede mit ihm, und sieh zu, dass du ein paar Haare, eine Zigarettenkippe oder sonst irgendwas mitgehen lassen kannst. Dann weißt du definitiv, ob er der Vergewaltiger unseres Sohnes ist oder nicht.«
Neri seufzte.
Und als in der Ferne die Lichter von Ambra auftauchten, wusste er, dass es eine schwierige Aufgabe war, aber dass er genau das tun würde, was Gabriella ihm geraten hatte.
72
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Dienstag, 13. Oktober 2009
Neri wollte gerade losgehen, um auf der Piazza einen Kaffee zu trinken, als der Bote aus Arezzo kam, um die Ergebnisse der DNA -Untersuchung der bei Gianni gefundenen Spermaprobe zu bringen.
Mit den Ergebnissen konnte Neri auf den ersten Blick nur wenig anfangen, aber jetzt war an einen Kaffee nicht mehr zu denken. Er flatterte vor Nervosität und Energie und wählte Tommasos Nummer in Montevarchi. Tommaso hatte vor Jahren als Neris Assistent im Polizeidienst begonnen, war aber in Montevarchi geblieben, als Neri nach Ambra versetzt worden war.
Dort hatte er sich im Lauf der Zeit hochgearbeitet, war nie unangenehm aufgefallen, und mittlerweile war er der Leiter der Abteilung Jugendkriminalität. Neri stand in losem Kontakt mit ihm, und er wusste, dass Tommaso Computerspezialist war. Das alles hatte er sich selbst beigebracht, und nicht nur Neri wusste, dass Tommaso in Montevarchi schlicht unterfordert war. Carabinieri mit Tommasos Fähigkeiten waren rar, und es war Neri bewusst, dass seinem ehemaligen Untergebenen der Weg nach Rom und damit zu einer großen Karriere bei der Polizei offenstand.
Neri hatte ihn sofort am Apparat.
»Tommaso, come stai?«, begann er belanglos freundlich und erwartete auf diese Frage nach dem allgemeinen Befinden wie alle Italiener eigentlich keine Antwort.
»Bene«, antwortete Tommaso brav. »Was gibt’s, Donato? Alles okay in Ambra?«
»Ganz und gar nicht. Ich brauche deine Hilfe. Heute noch. Nein, sofort! Kannst du herkommen?«
»Worum geht’s denn?«
»Um eine DNA -Überprüfung beziehungsweise einen Vergleich im europäischen Zentralcomputer.«
Tommaso stöhnte auf. »Ist das dein Ernst?«
»Mein voller Ernst.«
»Darf es nicht eine Nummer kleiner sein? Könnte es sein, dass du mal wieder ein bisschen übertreibst?«
Neri wusste, dass Tommaso auf die Großaktionen anspielte, die Neri bereits angezettelt und die alle erfolglos bis peinlich verlaufen waren, und ärgerte sich furchtbar, aber er hielt sich zurück. Er musste Tommaso bei Laune halten, allein war er nicht in der Lage, die Ergebnisse zu vergleichen.
»Bitte, Tommaso. Es geht um meinen Sohn!«
»Okay, ich komme.«
Siebzig Minuten später kam Tommaso und machte sich sofort an die Arbeit.
Weitere fünfundzwanzig Minuten später war es klar: Die DNA des Mörders von Berlin und Giglio und die des Vergewaltigers von Montebenichi waren identisch.
Neri stand der eiskalte Schweiß auf der Stirn.
»Komm mit«, bat er Tommaso. »Alfonso ist auf Außendienst in Levane. Die Bank zieht um, und der Transport muss gesichert werden. Ich möchte das nicht allein machen, aber es ist wichtig.«
Er wollte Tommaso nicht sagen, was er vermutete und gleichzeitig hoffte. Schließlich konnte er eins und eins zusammenzählen, aber Tommaso würde ihm sowieso nicht glauben. Der Serientäter lebte höchstwahrscheinlich in Berlin und hatte sich vorrangig dort seine Opfer gesucht. Aber er hielt sich auch gern in Italien auf, machte Urlaub und mordete weiter. Wie zum Beispiel auf Giglio. Der Mann, der die Wohnung in Montebenichi gekauft und seinen Sohn missbraucht hatte, war ein Deutscher und kam aus Berlin. Man
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