Nachtprinzessin
es keinen Deut besser. Es gab nicht den geringsten Lichtschein am Horizont, er war in einer Sackgasse gelandet.
Seine Mutter hatte ihm stets viel leidigen Schriftkram abgenommen, und dies zu delegieren war ihm auch im Beruf meisterhaft gelungen. Er war ein überaus erfolgreicher Makler, konnte Klienten wie kein anderer Häuser aufschwatzen, die sie eigentlich gar nicht wollten, und wenn er sich richtig ins Zeug legte, schaffte er es, auch eine durchschnittliche Immobilie in ein Objekt der Begierde zu verwandeln.
Viola, seine Sekretärin, erledigte anschließend, nachdem der Kaufvertrag per Handschlag zustande gekommen war, alles Schriftliche, sein Kollege Gernot ging mit den Klienten zum Notar und erklärte mit unendlicher Ruhe alles, was einem Nichtjuristen am Kaufvertrag unverständlich und suspekt erschien.
Matthias’ größtes Kapital waren seine attraktive Erscheinung, seine geschliffenen Umgangsformen, sein rhetorisches Talent und sein umwerfender Charme.
Und jetzt sollte er niemanden mehr haben, der seine Hemden bügelte und ihn beim Kauf von eleganten Kombinationen beriet? Undenkbar.
Vor dem Krankenhaus gab es kein einziges Taxi, worüber er sich schon wieder aufregte. Aber noch mehr ärgerte er sich darüber, dass er dem Krankenwagen nicht mit dem eigenen Auto hinterhergefahren war. Und nun stand er hier wie bestellt und nicht abgeholt auf der Straße.
Es war heute einfach nicht sein Tag. Im Krankenhaus hatte er sein Handy ausgeschaltet, jetzt sah er, dass er mehrere Nachrichten hatte.
»Was ist los mit dir?«, meldete sich Viola mit dünner Stimme. »Wo bleibst du? Dr. Hersfeld wartet und ist überhaupt nicht amused . Bitte ruf mich unbedingt zurück!«
Beim letzten Anruf war sie sehr nervös. »Wir machen uns riesige Sorgen. Ist dir was passiert? Bitte melde dich!«
Einen Moment überlegte er, ob er Gernot und Viola anrufen sollte, aber dann entschied er sich dagegen. Es war nicht verkehrt und fast ein angenehmes Gefühl, wenn sie sich mal vierundzwanzig Stunden Sorgen um ihn machten. Hauptsache, sie hetzten ihm nicht die Polizei auf den Hals. Aber das würden sie wohl nicht wagen, schließlich war er ein erwachsener Mann und konnte ja wohl mal einen Tag unentschuldigt dem Büro fernbleiben. Jede Panikmache wäre lächerlich.
Er ging bis zur nächsten Hauptstraße und wartete keine fünf Minuten, bis ein Taxi vorbeifuhr, das er heranwinkte und in das er einstieg.
»Fahren Sie mich zum Rautmann’s«, sagte er dem Taxifahrer. Ihm war bewusst geworden, dass er heute bis auf Kaffee und Wasser noch nichts zu sich genommen hatte.
Er fühlte sich nicht in der Lage, Alexander anzurufen, um ihm zu erzählen, dass seine Oma zwar noch nicht tot, aber doch schon in irgendeiner Weise gestorben war.
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Es war kurz nach dreiundzwanzig Uhr, als er das Rautmann’s verließ. Über die viel zu kleine, lieblos angerichtete, nicht besonders gut schmeckende und überteuerte Spargelportion hatte er sich maßlos geärgert. Schließlich war er Stammgast, kam bestimmt dreimal in der Woche zum Essen und ließ nicht wenig Geld in dem Laden. Daher hatte er es weiß Gott nicht verdient, so abgefrühstückt und über den Tisch gezogen zu werden.
Carlo, dem Kellner, hatte er dennoch elf Euro Trinkgeld gegeben. »Sie können ja nichts dafür, dass irgendjemand hier seinen Job nicht anständig macht«, hatte er gönnerhaft gesagt und den Schein über den Tisch geschoben. »Es soll Ihr Schaden nicht sein.«
Er wollte Carlo nicht verärgern und ihn sich gewogen halten, denn Carlo besorgte ihm auch noch nachts um zwei ein Päckchen Zigaretten und eine Flasche Champagner. Eines Nachts hatte Carlo Matthias sogar in dessen Porsche nach Hause gefahren, weil er zu viel getrunken hatte. Das hatte er ihm hoch angerechnet, zumal er am nächsten Tag problemlos in den Wagen steigen und zum ersten Termin fahren konnte, ohne den Porsche erst mithilfe eines Taxis holen zu müssen.
Carlo war eine hilfsbereite Seele, und er schien Matthias zu bewundern. Das war nicht das Schlechteste und pinselte seine Seele, und so war Carlo jedes Scheinchen wert, das Matthias springen ließ.
Matthias spürte, dass er kribblig war, nervös, unruhig. Und das lag nicht nur an seiner Mutter. Er konnte jetzt noch nicht nach Hause, außerdem fing die Nacht gerade erst an.
Etwas unschlüssig überlegte er, wohin er noch gehen konnte. Die laue Nachtluft elektrisierte ihn und machte ihn atemlos. Er sah auf die Uhr. Um diese Zeit waren die meisten Theater
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