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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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saubere Socken, Hose und Jackett oder sportliches Blouson legte er sich immer schon abends bereit, ganz egal, wie spät es war, denn nachts konnte er besser denken und die schwierige Kleiderfrage eher lösen. Im Haus bewegte er sich in seidenen Pantoffeln, die er sich aus Marokko mitgebracht hatte, seine Schuhe warteten unten im Flur, wo sie von seiner Mutter jeden Tag geputzt und auf Hochglanz poliert wurden. So wie sie auch seine Oberhemden mit Hingabe und absolut faltenfrei bügelte.
    In seiner hypermodernen und matt glänzenden Luxusküche, die in der Mitte einen Granitblock als Arbeits- und Kochbereich hatte, was im Moment der letzte Schrei war, hatte er noch nie etwas gekocht. Noch nicht einmal ein Spiegelei gebraten. Er wusste gar nicht, wie er das anstellen sollte. Küchen bedeuteten ihm nichts, und dennoch hatte er diese für ein Vermögen einbauen lassen. Da sie nicht benutzt wurde, war sie immer tadellos sauber, und das erfüllte ihn mit tiefer Befriedigung.
    Morgens, oder besser gesagt mittags, schaltete er jedoch die Espressomaschine ein, die so überdimensioniert war, dass sie jedem Café und jedem italienischen Restaurant zur Zierde gereicht hätte, und kochte sich zwei Espressi, die er zusammen mit zwei Gläsern Pineo Luna Llena trank. Er bestellte dieses spezielle, teure Mineralwasser alle Vierteljahre direkt aus Spanien. Es kam aus den katalanischen Pyrenäen, stammte aus unterirdischen Wasservorkommen inmitten von Kalk- und Granitgestein und wurde nachts und nur bei Vollmond abgefüllt. Matthias war davon überzeugt, dass es einen positiven Einfluss auf sein physisches und psychisches Wohlbefinden ausübte, und wurde richtig nervös, wenn ihm sein morgendliches Wasser fehlte.
    Irgendetwas Essbares konnte er um diese für ihn eigentlich noch nachtschlafende Zeit nicht zu sich nehmen.
    Die Natur war in den letzten zwei Wochen regelrecht explodiert. Wo man hinsah, blühte es, die Rasenflächen waren saftig grün und mussten zweimal in der Woche gemäht werden. Diese lästigen Gartenarbeiten erledigte ein pensionierter Gärt ner, der mittwochs drei und samstags sechs Stunden arbeitete.
    Aber Matthias hatte für den herrlichen Frühsommertag keinen Blick, als er aus dem Haus trat. Wetter interessierte ihn überhaupt nicht. Er fand es ausgesprochen ärgerlich, dass man es nicht ändern konnte, daher hatte er beschlossen, es zu ignorieren.
    Gerade drehte er sich um und wollte seiner Mutter – wie jeden Tag – zum Abschied zuwinken, als er sah, dass ihr Platz am Küchenfenster, wo sie mittags Kreuzworträtsel löste und ihre heiße Brühe schlürfte, leer war.
    Das war in den letzten zehn Jahren noch nie vorgekommen, und Matthias erschrak so, dass er unwillkürlich einen Schritt zurücktrat und beinah über die Begrenzung des Blumenbeetes gestolpert wäre.
    Er rannte zurück zum Haus, nahm die fünf Stufen vor ihrer separaten Eingangstür in einem Schritt und klingelte. Wartete. Klingelte wieder. Sie öffnete nicht.
    Mühsam und mit zitternden Fingern suchte er ihren Wohnungsschlüssel an seinem Schlüsselbund und schloss die Tür auf.
    Sie lag im Wohnzimmer auf dem Teppich.
    Er fiel vor ihr auf die Knie.
    »Mama«, hauchte er und küsste sie auf den Mund. »Mama, was ist passiert?«
    Da er sich einbildete, einen ganz schwachen Atemhauch zu spüren, drückte er sein Ohr an ihre Brust.
    Leise und wie in weiter Ferne klopfte ihr Herz.
    Er stürzte zum Telefon, wählte eins-eins-zwei und schrie, sobald er eine Stimme hörte, in den Apparat.
    »Kommen Sie schnell, meine Mutter stirbt, sie ist ohnmächtig, Hirschhornweg achtundzwanzig, mein Name ist Steinfeld, von Steinfeld!«
    »Hatte sie einen Unfall?«, fragte die gleichgültige, unaufgeregte, tiefe Stimme am anderen Ende der Leitung.
    »Das weiß ich doch nicht!«, kiekste Matthias. »Ich bin kein Arzt und kein Hellseher und will jetzt auch nicht mit Ihnen diskutieren, kommen Sie, und zwar schnell!«
    »Wagen ist unterwegs«, sagte der Beamte gelassen, und Matthias legte auf.
    Bis der Rettungswagen eintraf, ging Matthias im Wohnzimmer auf und ab und konnte kaum der Versuchung widerstehen, an den Fingernägeln zu knabbern. Er schlug sich selber mit der Hand auf die Finger, denn angenagte Nägel machten bei zahlungskräftigen Kunden der oberen Zehntausend keinen guten Eindruck.
    Schließlich kam er auf die Idee, die Lippen seiner Mutter mit Wasser zu benetzen.
    Immer wieder sah er auf die Uhr. »Was machen diese Idioten?«, brüllte er und raufte sich die

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