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Nachtwelt

Nachtwelt

Titel: Nachtwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theres Buechner
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sie
hier bis zum Weckerklingeln sitzen bleiben, doch irgendetwas drängt sie in den
hinter ihr liegenden Wald zu gehen.
     
    Obwohl die Bäume sehr dicht stehen ist etwas, dass vor
langer Zeit ein Pfad gewesen ist, zu erkennen. Mimi wandert durch mannshohe
Farne, bestaunt Bäume und Blumen, die sie noch nie in ihrem Leben gesehen hat.
Während des Gehens streicht sie leicht über verschiedene Blüten, von denen sich
einige unter ihrer Berührung langsam schließen.
     
    Neben dem Pfad wächst eine Gruppe von Pilzen. Sie sind
so groß, dass sie Mimi bis zur Brust reichen. Jeder der Pilzhüte ist mit
unterschiedlichen Ornamenten und Bildern verziert. Einer der Pilze zeigt
Florahle Muster, ein anderer ein liebendes Paar. Auf einem der Pilzhüte ist
eine Gemeinschaft, die mit erhobenem Schwert Seite an Seite steht, zu sehen. Auch
ein großes Rudel wolfsähnlicher Hunde ist dargestellt.
     
    Es sind weit über zwanzig Pilze. Alle zusammen
scheinen eine Geschichte zu erzählen. Die Bilder sind nicht auf ihre Hüte
gemalt oder geschnitzt. Vielmehr sind sie aus den Pilzhüten herausgewachsen. Besonders
gut gefällt Mimi die Gemeinschaft, die mit ihren erhobenen Schwertern
abgebildet ist. Fast glaubt sie, Petra, ihre beste Freundin und sich selbst
dort zu erkennen. Sie streckt die Hand aus, um die Linien des Bildes mit dem
Finger nachzufahren.
    Bevor sie den Pilz berühren kann, tritt ein Zwerg
hinter dessen Stamm hervor. Sein Blick lässt keinen Zweifel daran, dass es
besser ist, ihr Vorhaben zu unterlassen. Der Zwerg ist gerade so groß, dass er
unter dem Pilzhut stehen kann. Wie Mimi trägt er Lederstiefel. Sein Hemd und
seine Hose sind purpurn. Um seine Hüfte hat er einen breiten, schwarzen Gürtel,
dessen goldene Schnalle reich verziert ist, geschlungen. Sein Hut, mit riesiger
Krempe, ist aus dem gleichen Leder wie seine Stiefel.
     
    Die Nase des Zwerges ähnelt einem Elefantenrüssel und
reicht ihm bis zu seinen Knien. Der untere Teil der Nase öffnet sich
trichterartig und erinnert an das Endstück einer Trompete. Der Zwerg hat seine
Arme fest vor der Brust verschränkt. Als er anfängt zu sprechen ist Mimi
verwundert. Aufgrund der Nasenform hat sie mit einer trötenden Stimme
gerechnet. Doch seine Stimme ist sanft und weich, als er sagt: „Unsere Freunde
sind zwar wunderschön, aber leider töten sie. Selbst bei einer flüchtigen
Berührung würde ein Mensch innerhalb von Sekunden sterben. Allerdings kann ihr
Gift, bei richtiger Aufbereitung, Heilung bringen. Wird das Pulver auf eine
Wunde gestreut, heilt diese binnen kürzester Zeit. Damit unsere Freunde
niemandem Schaden zufügen und um die Medizin herzustellen, gibt es uns, die Wächter
des Giftes .“
    Während der Zwerg dies sagt breitet er seine Arme aus
und blickt von einem Pilz zum anderen. Hinter jedem Stamm tritt ein Zwerg
hervor.
     
    Nun wendet sich der Zwerg wieder an Mimi: „Noch bevor
der Mond ein zweites Mal sein volles Gesicht zeigt, wirst du in die Schlacht
ziehen. Deshalb gebe ich dir einen Beutel des heilenden Pulvers, denn du wirst
es benötigen.“
     
    An einem Lederband hält er Mimi einen kleinen,
purpurnen Beutel entgegen. Sie beugt sich zu dem Zwerg herab, damit er ihr die
Lederkette umlegen kann.
    „Warum sollte ich kämpfen?“, will sie wissen, während
sie ihre Haare unter dem Lederband hervorzieht.
    „Um Erkenntnis zu erlangen.“
    Ungläubig schaut sie den Zwerg an. „Mimi, wie deine
Schwestern und Brüder bist du eine große Kämpferin. Leider hast du noch nicht
aus eigener Kraft deinen Weg hierher gefunden. Dir bleibt nicht viel Zeit um zu
lernen. Geh’ jetzt. Wenn du die Singenden Bäumehörst, bist du auf dem
richtigen Weg. Man erwartet dich seit langer Zeit.“
     
    Nichts in diesem Traum verwundert Mimi. Nicht die
Wächter, nicht, dass sie kämpfen soll oder dass sie erwartet wird. Was sie
nachdenklich macht ist die Bemerkung, dass sie den Weg hierher nicht allein
gefunden hat. Als sie die Angorasocken auszog war sie hier - oder?! Also kein
Grund für den vorwurfsvollen Zwergen-Unterton.
     
    Mimi dreht sich noch einmal zu den Pilzen um. Keiner
der Wächter ist mehr zu sehen, aber sie spürt, wie die Blicke der Zwerge ihr
folgen. Nach einiger Zeit vernimmt sie eine leise Musik. Es sind wunderbare,
sanfte Töne – ähnlich einem Windspiel. Über diesem glockenartigen Grundton
liegt eine Melodie, die so schön ist, dass Mimi beinahe anfängt zu weinen.
    Automatisch geht sie schneller. Fast rennt sie, weil
sie so neugierig

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