Nackt schlafen ist bio
könnte, mir eine eigene Kolumne zu geben, vielleicht auch nur eine Kolumne auf der Website der National Post , um über das Thema zu schreiben, könnte ich vielleicht wirklich etwas bewirken. Ja, wenn alles nach Plan lief, könnte ich womöglich sogar von mir behaupten, das umweltfeindlichste Blatt des Landes im Alleingang auf Öko-Kurs gebracht zu haben. Ich wusste nichts über die wissenschaftlichen Hintergründe des Klimawandels, welche Technik in Solarzellen steckt oder warum Hart-Polyethylen in der Abfallhierarchie höher rangiert als Polypropylen (Nr. 2 bzw. Nr. 5). Aber ich wusste, dass ich mir ein paar Stoffbeutel zulegen und öfter mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren wollte. Nichtsdestotrotz hegte ich Zweifel, ob ich meine laienhaften Umweltschutzbemühungen in gute journalistische Arbeit ummünzen konnte oder zumindest in etwas, was die Leute gerne lasen.
Und da ging mir buchstäblich ein Energiesparlicht auf. Ich lag eines Nachts im Bett, wälzte mich von einer Seite auf die andere – geplagt von CO 2-Gewissensbissen, weil ich an diesem Tag allein, nicht in einer Fahrgemeinschaft, mit dem Auto zur Arbeit und zurück gefahren war – und dachte über den Kreis des Zynismus und den Kreis der Hoffnung nach, worüber ich gerade im Handbuch für eine bessere Welt: Kleine Veränderungen mit großer Wirkung gelesen hatte. Der Kreis des Zynismus funktioniert in etwa so:
1. Man stößt auf ein Problem
2. möchte etwas dagegen tun
3. weiß nicht, wie
4. tut also gar nichts
5. ist deprimiert und verärgert, fühlt sich machtlos
6. kommt zu dem Schluss, dass man nichts tun kann
7. beginnt sich zu verschließen
8. will immer weniger von Problemen wissen
(und so weiter bis zur Apathie) .
(Übrigens: Das trifft es bei mir im Großen und Ganzen ziemlich genau.)
Dann gibt es den Kreis der Hoffnung, der, aus welchen Gründen auch immer, mit zwei Schritten weniger auskommt (Optimisten nehmen ja gern den kürzesten Weg) und so aussieht:
1. Man macht es sich zur Aufgabe, ein guter Mensch zu werden
2. entwirft für sich eine Vision von einer besseren Welt, die auf den eigenen Werten beruht
3. beschafft sich zuverlässige Informationen über die Probleme der Welt
4. sucht konkrete Handlungsmöglichkeiten
5. handelt im Einklang mit seinen Werten
6. akzeptiert, dass man nicht alles schaffen kann
(und so weiter, bis die Welt eine bessere geworden ist) .
Da dämmerte es mir: Wenn ich ein Jahr lang jeden Tag eine Kleinigkeit veränderte – Triviales wie die Stoffeinkaufstaschen, aber auch Größeres, etwa meine Ernährungsgewohnheiten umzustellen und mein Konsumverhalten einzuschränken –, würde ich herausfinden, was einfach und was schwer umzusetzen war, was nur für einen Großstadt-Single mit Katze wie mich infrage kam oder was sich auch für eine vierköpfige Familie in einem Vorort eignete, was jeder von uns ändern sollte oder was man besser den Hundertfünfzigprozentigen überließ. Es ist wie in dem chinesischen Sprichwort: Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem ersten Schritt. Und ich würde 365 Schritte tun.
Aber ohne Gruppenzwang und unterstützende Begleitung würde das nicht klappen. Wenn mir die Post keine Kolumne gab, musste ich ein anderes Sprachrohr finden. Mein ehemaliger Kollege Kelly unterhielt ein Theater-Blog, und meine Freundin Meghan hatte gerade ein Blog über Ernährung begonnen – wenn ich das Wort Blog nur aussprach, kam ich mir vor, als wäre ich einem Star Trek -Fanclub beigetreten und hätte mir eine retroschicke High-Waist Hose zugelegt, aber ein Blog wäre tatsächlich das perfekte Medium. Es würde bedeuten, dass ich jeden Tag etwas tun und auch sofort darüber schreiben konnte. Und wenn ich stets selbstkritisch blieb – darauf achtete, nicht in einen moralinsauren, selbstgerechten oder salbungsvollen Tonfall abzugleiten –, würden sich immer mehr Leute für mein Blog interessieren. Und je größer wiederum die Leserschar wurde, desto mehr Engagement musste ich an den Tag legen, sowohl um der Befürworter als auch um der Gegner willen. Schließlich konnte ich nicht vor aller Augen kneifen.
Das war meine aufrichtige, ehrgeizige und etwas naive Vorstellung, als ich das Blog einzurichten begann, Meinungen und Anregungen einholte, mir meine ersten ökologischen Schritte überlegte und dem Herausgeber der Post diese Pulitzerpreis-verdächtige Idee in einer E-Mail darlegte.
Eine Woche verging.
Er antwortete nicht.
Kein Problem, dachte ich mir, wahrscheinlich
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