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Nackt schlafen ist bio

Nackt schlafen ist bio

Titel: Nackt schlafen ist bio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farquharson
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passt perfekt in folgendem Satz: »Dass ich mir 365 Schritte zu einem umweltverträglicheren Leben ausdenken und ein ganzes Jahr lang täglich darüber schreiben will, ist wahrscheinlich die törichteste Idee, auf die mein ansonsten neurologisch unauffälliges Hirn in den 28 Jahren seiner Existenz verfallen ist.« Tatsächlich ist der einzige Gedanke, der mir momentan durch den Kopf geht, dass es bestimmt mit mir nie so weit gekommen wäre, wenn ich einen festen Freund und mehr soziale Kontakte hätte. Seit wann interessiere ich mich für Recycling und öffentliche Verkehrsmittel? Für Kompost? Oder Blogs? Hätte ich doch nie Eine unbequeme Wahrheit gesehen! Wissen Sie, was wirklich unbequem ist? Sich 365 ökologische Änderungen seines Lebensstils auszudenken und ein ganzes Jahr lang täglich darüber zu schreiben.
    Was habe ich mir da nur eingebrockt?
    Diese Mischung aus Bedauern, Verwirrung, Bitterkeit und tödlicher Verlegenheit brodelte in mir, als ich dasaß und auf die Reaktionen von Freunden und Kollegen wartete, die ich soeben per Mail über mein Vorhaben informiert hatte, wobei ich so viele selbstironische Adjektive wie möglich verwendete. Manche Leute werden ja, sobald sie auf den »Senden«-Button geklickt haben, von Ängsten heimgesucht, weil sie nach ein paar Gläsern Wein eine allzu überschwängliche E-Mail geschrieben haben. Bei mir lag es schlicht daran, dass ich mich zu etwas öffentlich bekannt hatte – und zwar zu etwas, das meinen coolen, lässigen Pseudo-Szenefrau-Status durchaus gefährden konnte. Ich hätte ebenso gut auf die Knie fallen und verkünden können: »Vergebt mir, Freunde, denn ich habe gesündigt. Ich habe mich nicht nur in eine Öko-Tante verwandelt, sondern führe auch noch ein Blog darüber.«
    Was ist schlimmer: Blogger oder Hippie zu sein? Ich kann es nicht mal sagen.
    Da trudelte die erste Antwort ein, von einem Freund, der in Paris lebt und für Associated Press arbeitet. Matt isst Sachen, die ich nicht mal aussprechen kann, hört obskuren westafrikanischen Hip-Hop und hat die Coolness praktisch mit der Muttermilch aufgesogen. Begriffe wie »Nachhaltigkeit« oder »konsumkritisch« zählen nicht zu seinem aktiven Wortschatz. Komischerweise ist er aber auch ein echter Computerfreak und hatte schon auf meine Mail reagiert, kaum dass ich auf »Senden« gedrückt hatte.
    Wie mir eine E-Mail in meinem Posteingang anzeigte, hatte Matt einen Kommentar zu meinem ersten Blogbeitrag geschrieben.
    »Bin echt sprachlos«, stand da.
    Das war alles, außer dem launigen Zusatz, dass die Gänseleberpastete, die er gerade verspeise, ganz bestimmt »bio« sei. Darunter verstehen die Franzosen anscheinend so etwas wie naturbelassen, aus ökologischem Anbau, umweltverträglich oder ganz allgemein Hippie-kompatibel. Es war also wohl ironisch gemeint, denn Gänseleberpastete ist bestimmt so ziemlich das Letzte, was ein Hippie guten Gewissens konsumiert.
    Wie auch immer, nach begeisterter Zustimmung klang es jedenfalls nicht.
    Dann kam eine E-Mail von meinem Freund Jacob, der fast am anderen Ende der Welt lebt, in Ramallah in Palästina, wo er eine gemeinnützige Organisation namens Souktel aufbaut, die Arbeitgeber und Arbeitsuchende durch SMS auf ihre Handys zusammenzubringen versucht. Näheres wusste ich nicht darüber, nur so viel, dass er jeden Tag 14 Stunden in dieser Krisenregion arbeitete und höchstwahrscheinlich keine Zeit für Blogs hatte.
    »Meine Güte«, begann seine E-Mail, »weißt du, bei jedem anderen würde ich meine übliche Anti-Blog-Tirade vom Stapel lassen. Aber in diesem Fall habe ich irgendwie das Gefühl, dass ich dich bald in mein Twitter oder Flickr oder was auch immer aufnehmen muss, damit ich deinen Öko-Botschaften ganz zeitnah lauschen kann. Außerdem würde ich für Live-Blogs oder sogar Vlogs plädieren, auch wenn ich nicht genau weiß, was das eigentlich ist.«
    Halb ironisch, halb ernst. Jacob, wie er leibt und lebt.
    Doch binnen einer Stunde erhielt ich eine Flut wohlwollender Mails, hauptsächlich von meinen Freundinnen. Die meisten sprachen mir Mut zu, machten Vorschläge oder brachten ihre eigenen Wünsche nach weniger Papiermüll im Büro oder regelmäßiger Benutzung von Brotdosen anstelle von Einwegverpackungen zum Ausdruck. Eine meiner Kolleginnen, Maryam, mailte sogar zurück: »Ich schau mir dein Blog an und hole es in MySpace«, wodurch sie sich mutig als soziale Netzwerkerin outete.
    Trotzdem machte es das nicht einfacher. Jetzt wusste jeder

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