Nackt schlafen ist bio
Bescheid: meine Angehörigen und Freunde, meine Kollegen und eine wachsende Zahl von Umweltbewegten, die genug Zeit hatten, um sich auf der Suche nach neuen Umwelt-Blogs in der »Online-Community«, wie es meine Vorgesetzten nannten, herumzutreiben. Und wer war eigentlich diese Lori V.? Sie hatte bereits zwei Kommentare auf meiner Website hinterlassen, und ich wusste von ihr lediglich, dass sie Recycling-Küchenpapier ebenfalls gut fand. Wie auch immer, jetzt waren so viele Leute in mein Vorhaben eingeweiht, dass es kein Zurück mehr gab. Außerdem: Egal, wie lächerlich ich mich mit all dieser Online-Tagebuchschreiberei und meinen amateurhaften Öko-Anwandlungen machen mochte, es wäre auf alle Fälle eine noch größere Blamage, wenn ich schon in den ersten 24 Stunden kalte Füße bekäme.
»Okay, jetzt mach mal einen Moment Pause«, sagte ich mir. »Jetzt ist einfach nur eins angesagt: tief durchatmen, die Augen schließen und einen mentalen Kopfsprung in die Tiefen dieses Öko-Dings wagen. Wenn ich im Kompost zu versinken drohe, vor lauter Müsli keine Luft zum Atmen mehr bekomme oder mir die Sache anderweitig zu viel wird, kann ich mich immer noch ans Ufer der Normalität retten, das Blog absaufen lassen und komme klatschnass, aber unversehrt aus dem Schlamassel raus.«
Zu meinem Glück habe ich das Rettungsschwimmerabzeichen gemacht.
Zu meinem Pech war dieser Öko-Tümpel ziemlich tief.
Doch wie die Buddhisten zu sagen pflegen – und auf wen kann man sich verlassen, wenn nicht auf die Buddhisten? –, kommt es darauf an, in der Gegenwart zu leben. Also rufe ich mir in Erinnerung, dass ich heute nichts weiter vorhabe, als von normalem Küchenpapier auf Recycling-Küchenpapier umzusteigen.
Dieses besteht zu 100 Prozent aus ungebleichtem Altpapier, der Wasserverbrauch bei der Herstellung ist um 80 Prozent niedriger als bei herkömmlichen Produkten, und die Trocknung erfolgt mit Energie aus Erdgas. Das erwähne ich deshalb so ausführlich, weil mir andernfalls womöglich der imaginäre Al Gore, der mir jetzt plötzlich über die Schulter guckt, Vorhaltungen gemacht hätte, ich solle die Finger doch lieber ganz von Einwegpapiertüchern lassen und stattdessen Stoffgeschirrtücher verwenden – am besten solche aus recycelten Fasern, die in einer Fair-Trade-Einrichtung in einem Umkreis von hundert Meilen um meinen Wohnort gewoben und per Fahrrad ausgeliefert werden.
Was soll ich dazu sagen? Ich bin eben nicht gerade ein Hardcore-Öko-Freak. Wenn meine Katze Sophie sich lieber auf dem Boden anstatt in ihrer Katzentoilette übergibt, bringen mich keine zehn Pferde dazu, ihren Mageninhalt mit irgendwas anderem aufzuwischen als mit etwas, das ich danach unverzüglich im Mülleimer entsorgen kann. Ich habe mit dem Gedanken gespielt, eine von diesen Küchenrollen zu nehmen, bei denen man auch schmalere Streifen abreißen kann, aber nach reiflicher Überlegung – und deutlich größerer Schmiererei – habe ich mich gegen diese Option und für die unbekannte, aber vielversprechend klingende Marke Cascades entschieden, deren Name mich an Wasserfälle, sanfte Hügellandschaften und auch ein bisschen an eine schicke Reha-klinik denken lässt. Zudem fand ich, dass die beige Farbe gut zu meinem Laminatboden passt. Die Textur mag zwar weniger reißfest und haltbar sein als bei der Konkurrenz, aber ich habe ja auch nicht vor, das Tuch in blaue Flüssigkeit zu tunken und dann große, schwere Sachen darin herumzutragen, wie man es immer in der Werbung sieht.
Das war also die erste Veränderung. Auf der Schmerzskala von eins bis zehn würde ich sagen: zwei. Leicht.
Und da waren’s nur noch 364.
3. MÄRZ , 3. TAG
Styropor verbannen
Meine Freundin Meghan, die ich an meinem ersten Tag an der Highschool kennengelernt habe und die jetzt nur ein paar Straßen westlich von mir wohnt, wird sich bei meinem Vorhaben vermutlich als eine der größten Unterstützerinnen erweisen. Was wenig überraschend ist. Wir machen eine Menge verrückter Sachen zusammen und reden danach darüber, wie toll diese verrückten Sachen sind. So binden wir uns bei ihr zu Hause identische Küchenschürzen um und kochen glutenfreie Bio-Suppe und gebratenes Gemüse, und die Woche darauf teilen wir uns das Kantinenessen. Außerdem laden wir uns Yoga-Podcasts herunter und machen die Übungen zusammen. Um Spenden für ein lokales Hilfsprojekt für Aidskranke zu sammeln, sind wir über vierhundert Meilen von Toronto nach Montreal geradelt. Und natürlich
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