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Nacktes Land

Titel: Nacktes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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sich, die so kahl wie das Stone Country unter dem kalten Mond war. Warum hatte sie es getan? Nicht wegen der Zeigefinger der Moralprediger! Nicht um Schuld und Sühne willen! Man kann mit der Schuld leben, ohne sich gleich in ein Büßerhemd zu hüllen. Aber warum dann?
    Jetzt konnte sie sich antworten, kalt, ruhig und entschlossen: Weil eine robustere Natur als du, Mary Dillon, dazu gehört, bei einem Mann – irgendeinem Mann – zu sitzen und drei Tage und zwei Nächte zuzusehen, wie er mit jedem Atemzug um sein Leben ringt; zu hören, wie er deinen Namen ruft, während die Mikroben sein Blut verseuchen und das Gift sein Herz zerfrißt; seine Hand zu halten und zu fühlen, wie er nach deiner greift, als wäre sie sein Lebensnerv; zu beobachten, wie der Tod ihn umklammert und wie er sich daraus freikämpft. Und das alles nur, um am Ende ein Küchenmesser zu nehmen und ihm die Kehle durchzuschneiden. In jeder Frau steckt etwas von einer Hure, aber gewisse Dinge würde auch eine Hure weder aus Liebe noch um des Geldes willen tun. Und deshalb sitzt du hier, schlürfst dein Bier, eine Frau mit genügend Mut, den Job eines Mannes zu übernehmen, mit Bankleuten zu verhandeln, Viehtreiber zu kommandieren und einen vorzeitig gealterten Ehemann zu stützen, und fragst dich, wie es sich wohl anfühlt, wenn dein Schoß austrocknet, wenn sich Schwielen auf deinen Händen bilden und wenn deine Stimme blechern klingt. Jetzt wußte sie die Antwort, und für sie war das der einzig mögliche Weg. Für Lance mochte es andere Möglichkeiten geben; für Neil Adams auch. Außerdem hatte sie noch etwas gelernt: Man ist mit einem Mann beim Frühstück, beim Abendessen und beim Sonntagsbraten zusammen. Im Bett liebt man ihn, oder man ekelt sich vor ihm. Aber der einzige Mensch, mit dem man vierundzwanzig Stunden täglich zusammenlebt, ist man selber. Und für ein ganzes Leben braucht man viel Selbstachtung, um nicht zu trinken anzufangen oder mit einem Messer Amok zu laufen.
    Das Glas war leer. Sie stellte es auf den Tisch, legte sich auf die Couch, schloß die Augen und dachte an Neil Adams.
    Sie hatte ihn seit seiner Rückkehr von Minardoo nur einmal kurz gesehen. Er war ins Krankenhaus gekommen und hatte sie an Lances Bett angetroffen, das abgeschirmt von den anderen Patienten auf der Station stand. Er hatte sich besorgt nach ihr erkundigt und ein paar Minuten lang verstohlen ihre Hand gehalten. Sie hatten sich auch flüchtig und ohne Leidenschaft geküßt. Aber dann war er viel zu bald und ohne großes Bedauern zu zeigen gegangen. Sie nahm es ihm nicht übel. Auch von dem zärtlichsten Liebhaber wäre es zuviel verlangt gewesen, eine Umarmung neben dem Sterbebett des Ehemannes zu genießen. Aber er war seitdem nicht wiedergekommen, entweder anstandshalber oder aus Rücksicht nicht – und sie hatte sich nach ihm gesehnt, und ihr Herz und ihr Körper verlangten nach seinen tröstenden Armen. Hätte er sie bedrängt, sie hätte vielleicht über ihre und Lances Zukunft anders entschieden; aber er hatte nichts gesagt, und als sie ihre Wahl traf, spürte sie eine gewisse Befriedigung bei dem Gedanken, daß sie ihn zwar noch wollte, aber nicht unbedingt mehr brauchte.
    Sie mußte bald zu ihm gehen. Nur jetzt noch nicht. Ein bißchen wollte sie noch warten. Solange die Worte nicht ausgesprochen waren, gehörte er irgendwie zu ihr, und sie zu ihm. Sie hatte es sich verdient, eine Weile zu träumen und sich ein wenig länger an diese Illusion zu klammern. Die Erschöpfung der langen durchwachten Nächte übermannte sie; sie schlief ein und träumte von Neil Adams, dem der Mond ins Gesicht schien und dessen Arme sich um sie legten, um ihre Lippen zu den seinen herunterzuziehen.
    Am späten Nachmittag, als die Schatten der steilen Felsen über der staubigen Stadt länger wurden, saß Neil Adams in seinem Büro und schrieb die letzten Zeilen seines Berichts über Lance Dillon und den Kadaitjamord. Es war ein ordentliches Stück Arbeit gewesen, und er war stolz darauf, alles so gut zu Papier gebracht zu haben. Die Tatsachen waren vorschriftsmäßig dargestellt – alle Fakten, die das Hauptquartier wissen mußte, Daten, Zeitpunkte, Orte; die simple Abfolge der Ereignisse. Er schilderte – nicht zu ausführlich –, was er als der verantwortliche Officer unternommen hatte. Er beschrieb – nicht zu lang – die Gründe für seine Aktionen. Und er berichtete über den glimpflichen Ausgang, über seine diplomatischen Verhandlungen, um

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