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Nacktes Land

Titel: Nacktes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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stand zur Debatte, weder Marys noch seine, sondern der Tribut, den er dafür leisten mußte: er mußte den Willen aufbringen, sich mehr oder weniger an eine Frau zu binden. Ein Liebhaber war frei von Sorgen und Verantwortung. Aber ein Ehemann – der trug außer den Sorgen und der Verantwortung auch noch einen Trauring, wie ein Zuchthengst seine Kette. Es war ein Vergnügen, das Preisschild zu betasten; doch das Geld auf die Theke zu legen, die Ware einzupacken und zum Vor- oder Nachteil davonzutragen – ah! – das war etwas ganz, ganz anderes.
    Die Pferde trotteten durch Staub und flimmernde Hitze nach Hause. Neil Adams hing locker im Sattel und dachte an Mary Dillon, die zurückflog und allein mit der Krise fertig werden mußte, in die er sie gestürzt hatte.

10
    Lance Dillon kletterte durch einen spiralförmigen Schacht aus der Finsternis. Es war ein langsamer und qualvoller Aufstieg, mit Rückschlägen und Hindernissen. Zuweilen stürzte er wieder in die schwindelnde Leere zurück. Manchmal ertastete er einen festen Halt, und ein Licht, das er nicht erkennen konnte, drückte schmerzhaft auf seine Augäpfel. Einmal war er kalt wie der Tod, dann wieder brannte er furchtbar in einem dunklen Ofen.
    Die Dunkelheit, in der er umherirrte, war voller Leben. Fledermausflügel huschten über sein Gesicht, schwarze Hände griffen nach ihm, Speerspitzen stachen auf ihn ein, Wasser tropfte in nervenzerrüttender Monotonie, und die Luft lag zitternd auf ihm wie eine Decke. Er hörte Stimmen und Worte, deren Sinn er nicht verstand. Einige der Stimmen klangen fremd, andere kamen ihm vertraut vor; wie Gesichter, die man im Nebel ahnt.
    Selbst diese unsichtbare Welt besaß eine gewisse Ausdehnung und Tiefe. Doch die Perspektive wechselte ständig – mal zogen sich die Dinge wie bei einer Raketenbahn in die Unendlichkeit zurück, dann schoben sie sich wieder wie eine Ziehharmonika über ihm zusammen. Töne steigerten sich zu rasenden Höhen, um dann in gespenstischen Kadenzen zu ersterben, wie Stimmen aus der Unterwelt.
    In dieser endlosen Finsternis schien eine seltsame Verwandlung mit ihm vorgegangen zu sein. Ein kleiner Kern in seinem Innern war unverändert, doch alles andere, Rumpf, Glieder, Gesichtszüge, schien außer Form geraten zu sein. Er hätte ebensogut eine Schlange in einem hohlen Baum, ein Maulwurf in einem Tunnel oder eine Larve in einem Kokon sein können.
    Lange Zeit war es vollkommen dunkel, doch dann zeigte sich, verschwommen und unbestimmt, immer noch weit außerhalb der Reichweite seiner tastenden Finger, ein Licht. Später verdichtete es sich, blieb etwas länger, narrte ihn mit der Andeutung eines Umrisses. Er befand sich jetzt weiter oben in dem Schacht und empfand irgendeinen leichten Fortschritt. Doch wohin er führte, konnte er nicht sagen. Dann nahm das Licht für einen Moment in dieser zeitlosen Ewigkeit Gestalt an, und er schaute in Marys Gesicht. Er wollte sie berühren, doch seine Hände griffen ins Leere. Er wollte sie rufen, doch er brachte keinen Laut heraus, und ihr Gesicht verschmolz wieder mit dem Licht, und das Licht sank zurück in schwarze Nacht.
    Danach schien er lange dicht vor dem Ausgang des Spiralenschachtes zu schweben, nur einen winzigen Schritt von einer Wahrnehmung entfernt. Er hatte keine Ahnung, was für eine Wahrnehmung das war, und es interessierte ihn auch nicht besonders; denn er war von dem langen Aufstieg aus dem Nichts zu sehr erschöpft. Schließlich wurde er von seinen Alpträumen durch einen tiefen Schlaf erlöst; und als er die Augen öffnete, sah er einen schwarzhaarigen Mann, der sich mit stoppligen Wangen und breitem Grinsen zu ihm herabbeugte. Ein Stethoskop hing in seinen Ohren. Dillon grübelte schlaftrunken über den Namen nach, als eine rauhe freundliche Stimme sagte: »So, sind Sie jetzt wach? Eine zähe Rasse, die von Minardoo.«
    Die Stimme setzte die Räder der Erinnerung in Bewegung. Dillon versuchte zu lächeln, doch seine Lippen waren taub, und seine Stimme krächzte heiser.
    »Black Bellamy! Unser verrückter Doktor! Wie geht's mir, Doc?«
    Doktor Robert Bellamy nahm das Stethoskop ab und legte es sich um den Hals. Lachend setzte er sich auf die Bettkante.
    »Eigentlich müßten Sie tot sein. Eine solche Riesensauerei ist mir noch nie vorgekommen.«
    Dillon strengte sich an, um sich aufzusetzen, doch Schmerzen durchfuhren seinen ganzen Körper, und er sank schwitzend in die Kissen zurück. Bellamy warf ihm einen fröhlichen Blick zu und grinste

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