Nadelstiche
beantwortet. Blöd – wurde er denn nie klug?
Irgendwie hatten sie es geschafft, seine Antworten in reißerische Aufmacher zu verwandeln, und sein verblüfftes Konterfei, eingefangen im Blitzlicht ihrer Kameras, auf alle drei New Yorker Tageszeitungen und in die Abendnachrichten gezaubert.
»Ich wünschte, du wärst gestern dabei gewesen«, sagte Jake. »Du hättest mir eine Jacke über den Kopf geworfen und mich da ›Kein Kommentar‹-rauskommentiert.«
»Wie hat Pederson reagiert?«
»Sagen wir, ich dachte schon, ich müsste meinen Lebenslaufauf den neusten Stand bringen.«
Die Strafpredigt nach dem Fiore-Desaster hatte sich gewaschen: »Kompetenzüberschreitung«, »Missachtung hierarchischer Strukturen«, »Kostenverschwendung …« Für Pederson ging es bei der Arbeit stets um den Schutz seines Reviers, die Aufstockung seines Budgets und eine möglichst große Medienpräsenz. Mit einem einzigen nicht genehmigten Abstecher war Jake gleich ein Dreifachverstoß gelungen.
»Er denkt, du hast es auf seinen Job abgesehen.« Manny tippte auf die Zeitung. »Er meint, du willst dich in Szene setzen.«
»Ich hatte doch keine Ahnung, dass die mir auflauern würden«, widersprach Jake. »Und ich will auch nicht Leiter der Rechtsmedizin werden. Budgetplanung und endlose Besprechungen – nein danke.«
»Ich weiß, du fühlst dich am wohlsten, wenn du bis zu den Ellbogen in einer Bauchhöhle steckst und nach Hinweisen auf eine nicht natürliche Todesursache suchst.« Manny griff über den Tisch nach seiner Hand. »Aber du solltest dir klarmachen, dass nicht jeder nachvollziehen kann, wie reizvoll das ist.«
Die weiche Berührung von Mannys Fingern nahm ihren Worten den Biss. Ihre Fähigkeit, geradewegs zum Kern eines Problems zu kommen, hatte ihn von Anfang an fasziniert; ihre Schönheit war ihm erst später aufgefallen.
»Ja, meine kleine Eskapade hatte unvorhergesehene Konsequenzen. Pederson hat mir offiziell untersagt, mich weiter mit dem Vampir-Fall zu befassen.«
»Dann gibst du auf?« Mannys Augen weiteten sich, doch dann bemerkte sie den blauen Aktenordner neben seinem Teller und schmunzelte. »Jetzt hast du mir doch glatt einen Schrecken eingejagt – ich dachte schon, du wirst weich.«
Der Kellner kam an ihren Tisch, stellte sich als Luigi vor und rasselte die Tageskarte herunter.
»Ich nehme die frischen Gambas«, sagte Manny ohne Zögern.
Jake ließ sich die Speisekarte geben. »Wusstest du, dass Garnelen Aasfresser sind? Ich hab mal einen Piloten obduziert, der mit seinem Flugzeug ins Meer gestürzt war. Musste ein halbes Dutzend von der Leiche pflücken. Das Lustige war, dass der arme Kerl Garnelen im Magen hatte – sein letztes Essen. Gab dem Wort Rache eine ganz neue Dimension.«
Der Kellner sah auf einmal blass aus. Mannys Magen knurrte laut. »Weißt du was, vielleicht bleib ich heute Abend lieber bei Gemüse. Ich nehm vorab einen großen Salat …«
»Vorsicht, E. coli kann aus Blattgemüse Massenvernichtungswaffen machen«, flüsterte Jake.
Manny schauderte. »Wenn ich deinen Job hätte, würde ich außer Apfelmus und trockenem Toast nichts mehr runterkriegen.«
»Ich besorg dir eine Stelle als Assistentin bei mir im Institut.« Er legte den Arm um sie und drückte ihre Schulter. »Die Leichenhallendiät! Der neuste Weg zur Gewichtsreduzierung. Ich wette, damit kämst du sogar zu Oprah.«
Ihre zierlichen Schuhe, die gemächlich an seiner Wade auf und ab geglitten waren, knallten mit der Wucht einer Guillotine auf seinen Spann. Er grinste. Es war den Schmerz wert.
Nachdem sie sich schließlich auf Auberginen und Steak geeinigt hatten und der Kellner gegangen war, begann Jake damit, Wiedergutmachung zu leisten.
»Ich dachte, du könntest mir vielleicht ein bisschen auf die Sprünge helfen.« Jake schob den Ordner zu Manny rüber, die prompt auf das Etikett schielte. »Wirfst du mal einen Blick rein?«
Manny drehte sich ihm zu und schlug den Ordner auf. »Andere Männer verführen Frauen, indem sie ihnen sagen, dass sie schön und sexy sind. Du flüsterst mir Obduktionsberichte ins Ohr.«
Jake grinste. »Für abgedroschene Komplimente bist du mir zu schade. Sieh mal hier.«
Manny und Jake begannen, sich durch die Unterlagen zu arbeiten, wobei sie sich besonders auf die Testergebnisse von den Opfern des Vampirs konzentrierten. Jake starrte auf den Wirrwarr von Zahlen und medizinischen Fachtermini. Wonach suchte der Vampir in diesem Blut? In keinem der toxikologischen Gutachten waren
Weitere Kostenlose Bücher