Nächstenliebe: Thriller (German Edition)
Jahrzehnte lang versucht das Christentum auf den Weg zur Ökumene voranzutreiben?
Warum hatte er in all den Jahren die Grabeskirche nicht als Brücke zu dieser Einigung genutzt?
Oder war der Besitzgedanke des Vatikans stärker als der innigste Wunsch eines einzelnen Papstes?
John fand an dieser heiligen Stätte keine Antworten auf die ihm plötzlich in den Kopf schießenden Fragen.
L etzten Endes waren es Fragen, mit denen er bald nichts mehr zu tun haben würde.
Zu seiner Überraschung waren kaum Polizisten oder Soldaten an diesem Platz. Er hatte in Dokumentationen oder Berichten schon ganz andere Sachen gesehen und gelesen: Durchsuchungen von Pilgern und gar Festnahmen, falls sich einer verdächtig verhielt.
Ihm war es nur Recht, das Letzte was er wollte, war eine Durchsuchung. Arafats Tod schien wirklich der Normalität einen Spalt zu öffnen.
Ehrfürchtig betrat John die Grabeskirche durch den einzigen Haupteingang , das Doppeltor, dessen rechtes Tor durch Saladin im Jahre 1187 zugemauert wurde.
Dennoch gestattete es keine der Konfessionen der anderen, einen zweiten Eingang frei zu machen, aus Angst, etwaige Ansprüche zu verlieren.
In Johns Augen war es ein Frevel, dass anscheinend einem Moslem die Verwaltung des Haupttors übertragen wurde, weil die Konfessionen ihre Eifersüchteleien nicht in den Griff bekommen.
Sein Weg führte über eine Treppe zur Golgatha-Kapelle. Hier wurde Jesus angeblich gekreuzigt.
Die Grabstätte von Philippe d’Aubigny, einem Mitunterzeichner der Magna Carta , ließ er genauso links liegen wie die Grabtröge Gottfrieds von Bouillon Balduins I. von Boulogne.
John kniete vor dem Altar nieder, küsste den Boden und betete wie viele andere Pilger auch. Er stand mit angespanntem Gesicht auf, bekreuzigte sich und schritt über eine zweite Treppe hinab zum Salbungsstein.
Jetzt begann der schwierige Teil seines Werkes.
Er kniete am Rand des Steines, an dem angeblich Jesus ´ Leichnam vor der Grablegung gesalbt wurde.
Sein Blick wanderte vorsichtig in alle Richtungen ob er von irgendwelchen Personen beobachtet wurde.
Nachdem er sich unbeobachtet fühlte, öffnete er den Reißverschluss seines Rucksackes.
Dann entnahm er aus der Seitentasche eine kleine Ampulle, die Flüssigkeit enthielt.
Es war Weihwasser aus seiner Heimatkirche. Er beträufelte seine Finger mit dem Weihwasser, bekreuzigte sich und spritzte mit seinen Fingern ein paar Tropfen auf den Stein.
Sein Blick wanderte wieder nervös in alle Richtungen. Er betastete mit seinen Händen die feuchten Stellen des Steines, bekreuzigte sich wieder und berührte erneut den Stein.
Dann fasste er mit der feuchten Hand nach einem Gegenstand, der sich im Rucksack befand.
Er schloss den Reisverschluss wieder und stand auf.
Aus seinem Gesicht schien Erleichterung zu sprechen.
Er atmetet tief ein und aus und sagte sich leise: „Nur noch eine Station.“
Einige Schritte weiter betrat er die Rotunde. Viele Pilger stauten sich vor der Kapelle. Nun war er kurz vor seinem Ziel, vor dem Heiligen Grab. Exakt an der Stelle, an der angeblich Jesus begraben wurde. Schließlich war er nach der Lehre der Christen wieder auferstanden.
John interessierte die Erkenntnis der Wissenschaft nicht, dass Jesus unmöglich hier begraben sein konnte, da laut jüdischem Brauch Gräber , als unsaubere Orte, immer außerhalb der Stadt liegen mussten.
Selbst die Bibel widersprach sich diesbezüglich: Während Matthäus diesen Platz als Grabungsstätte auswies , behauptete Johannes, die Grabstätte sei außerhalb Jerusalems gelegen. Wieder andere Untersuchungen hatten angeblich ergeben, dass es noch eine zweite Stadtmauer gab, was wiederum der Bibel Recht gab.
Wissenschaft im Zeichen der Bibel ist ein schwieriges Unterfangen, vor allem dann, wenn sie von den Personen durchgeführt wird, die an dieses Buch glauben und daher gerne beide Augen zudrücken, dachte John.
Viele Pilger lagen auf dem Boden und weinten während sie beteten.
John suchte sich eine ruhige Stelle und tat das gleiche.
Obwohl er sich fest vorgenommen hatte nicht zu weinen, hatte er keine Möglichkeit, sich dieser Atmosphäre zu entziehen. Seine Tränen liefen ihm die Wangen hinunter.
Dann saß er noch lange in seiner kleinen Eck e am Grab und starrte mit leeren Blick in dessen Richtung.
„Ich warte schon so lange auf diesen Kelch“, sagte er . „Du darfst ihn nicht an mir vorbeiziehen lassen, oh Herr.“
Nach seinen Plänen sollte dieser Tag einen bestimmten Verlauf
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