NAM-Tech: Maschinenbrut (German Edition)
01 _ NAM-Tech HQ [Korridor]
Als die ultraleichte, grüne Sicherheitstür hinter ihm beinahe lautlos wieder in ihre feste Spur glitt und sich verschloss, spürte Sol am eigenen, unverdrahteten Leib, wie ihm ein kalter, eisiger Schauer eine Gänsehaut bescherte. Betont langsam wandte er sich dem weiß glänzenden Korridor zu, den er vor einer halben Stunde noch mit einem eher guten Gefühl heraufgekommen war. Die Wände waren wie winzige, weiße Waben, deren starre Struktur schwach-silbrig schimmerte. Kein Zweifel, dass links und rechts hinter diesem Netz aus biologisch verstärktem Plastik Büros über Büros angelegt waren, in denen sich emsige, glatt gekleidete Assistenten mit den unzähligen Anweisungen und Korrespondenzen von Boss Nathan auseinandersetzten, um diese in Sekundenschnelle an die externen, semiglobalen Strukturen von NAM-Tech weiterzuleiten.
Ohne große Eile und mit diesem kalten Gefühl, als würde die Zeit für ihn um das Zehnfache langsamer verstreichen, setzte Sol sich in Bewegung, wobei er sich unbewusst darauf einstellte, nicht in den starren, automatenhaften Gang der weißgekleideten Managementkaste zu verfallen, sondern seinen lässigen, gedankenverlorenen Schritt einzuhalten, während sein geistesabwesender, gesenkter Blick die blanken Bodenelemente des Korridors überflog. Der Gedanke an die Menschen in diesem Teil der Firma ließ ihn unwillkürlich den Kopf schütteln. Ein alter Widerwille stieg in ihm auf, den er bis zu einem Zeitpunkt kurz vor diesem Gespräch erfolgreich unterdrückt zu haben geglaubt hatte. Ohne die weißen Gestalten tatsächlich sehen zu können, konnte er sich in seiner Phantasie recht gut ausmalen, wie sie nun dort saßen, standen oder hetzten und ab und an durch die von ihrer Seite freisehenden Waben einen seelenlos funkelnden Seitenblick auf ihn warfen.
Glatte, glänzende Gesichter. Kahle, keramische Kugelhäupter. Chemisch präzise ausgebrannte Züge, die weder Barthaare noch Augenbrauen oder gar Augenlider hätten wuchern lassen. Keine Haare – zumindest die Männer. Die Frauen erlaubten sich neben modisch täglich wechselnden Kunstfrisuren mit abenteuerlichen, aber fest fixierten, einfarbigen Haarsträhnen noch die harten, schwarzverklebten Lider und hauchdünne Brauen, die mehr aufgemalt als natürlich gewachsen zu sein schienen.
Maschinenmenschen
, dachte Sol.
Gesichter so hart wie Chitinpanzer und gleichzeitig so wachsförmig und verschiebbar, dass sie jegliche natürliche Mimik imitieren konnten – doch ihr Lachen und Weinen, ihre Neugier und Angst, ihre Nachdenklichkeit und Zufriedenheit, die sich stilisiert in ihren Zügen spiegelte, schien ihm so künstlich wie in den Gesichtszügen der ersten japanischen Welle, die die humanoiden Haushaltsroboter in den Winkel einer jeden Wohnung gebracht hatte – und das war über dreißig Jahre her. Seitdem hatte sich so vieles in der technischen Entwicklung getan, dass die ersten Modelle im Vergleich zu den neuen so aussahen wie abgenutzte, holzklappernde Speichenräder im Vergleich zu faserverstärkten, stromdurchlaufenen Plimpton-Reifen mit Adaptionsprofil – wie aus einer anderen Welt. Irgendwie waren die alten Roboter in den letzten Jahren sprunghaft menschlicher und die Menschen im Gegensatz dazu Stück für Stück maschinenhafter geworden. Schlimmer als eine Modeerscheinung. Fast schon wie eine Religion.
Und ausgerechnet ich muss dem Hohepriester der Haarlosen huldigen
, dachte er sarkastisch, während das glatte Gesicht von Boss Nathan an seinem geistigen Auge vorbeitanzte.
Er ging in seinem Kopf das Gespräch noch einmal durch. Der Boss hatte die Situation des Konzerns klar dargelegt. Er war immer sehr präzise und sehr formal.
Solomon Switche war ein Wissenschaftler der ersten Stunde und Boss Nathan hatte sich stets auf seinen Einsatz verlassen können.
Gemeinsam mit einem kleinen Kreis von Forschern hatte er die Konzepte archaischer Mikrotechnik weiterentwickelt und die Platinen auf Nano-Ebene konstruiert, die die Ströme des menschlichen Hirns empfangen und, noch wichtiger, verstärken konnten. Nathan Aether Marksman war in einer späteren Phase erschienen – als Vertreter der NIG, Neuro-Improvement Group, wie NAM-Tech vor der Umbenennung hieß, und sehr interessiert daran, die Forscher in sein junges, aufstrebendes Unternehmen zu integrieren. Unter seiner Führung wurde aus der anfänglichen, etwas blauäugigen Träumerei eine klare Vision, die mittels der finanziellen Unterstützung
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