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Narziss Und Goldmund

Narziss Und Goldmund

Titel: Narziss Und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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schweigend.
    Goldmund aber, in allen seinen Trieben beleidigt und betrogen, umschlang schnell die sich aufrichtende Julie, küßte ihr beide Brüste und flüsterte ihr brennend ins Ohr
    »Morgen, Julie, morgen!«
    Lydia stand im Hemde und barfuß, auf dem Steinboden krümmten sich ihre Zehen vor Kälte Sie hob Julies Mantel vom Boden auf und hing ihn ihr um, mit einer leidenden und demütigen Gebärde, die jener auch im Dunkeln nicht entging und die sie rührte und versöhnte. Leise huschten die Schwestern aus der Kammer und davon. Voll wider-streitender Gefühle horchte Goldmund ihnen nach und atmete auf, als es im Hause totenstill blieb.
    So waren die drei jungen Menschen aus einem sonderbaren und unnatürlichen Zusammensein in nachdenkliche Einsamkeit verwiesen, denn auch die beiden Schwe-131
    stern, nachdem sie ihre Schlafstube erreicht hatten, fanden sich nicht zu einer Aussprache, sondern lagen jede einsam, schweigend und trotzig in ihrem Bette wach. Ein Geist des Unglücks und Widerspruchs, ein Dämon der Sinnlosigkeit, Vereinsamung und Seelenverwirrung
    schien sich des Hauses bemächtigt zu haben. Erst nach Mitternacht entschlief Goldmund, erst gegen den Morgen Julie. Lydia lag wach und gepeinigt, bis überm Schnee der bleiche Tag heraufkam. Sie erhob sich sofort, zog sich an, kniete lang vor ihrem kleinen hölzernen Heiland und betete, und sobald sie auf der Treppe den Schritt ihres Vaters vernahm, ging sie und bat ihn um eine Unterredung. Ohne den Versuch zu machen, zwischen ihrer Sorge um Julies Mädchentugend und ihrer Eifersucht zu unterscheiden, war sie zum Entschluß gekommen, der Sache ein Ende zu machen. Goldmund und Julie schliefen beide noch, als der Ritter schon alles wußte, was Lydia gut befunden hatte, ihm mitzuteilen. Julies Beteiligung an dem Abenteuer hatte sie verschwiegen.
    Als Goldmund zur gewohnten Stunde in der Schreibstube erschien, sah er den Ritter, der sonst in Hausschuhen und Filzrock seinen Schreibereien obzuliegen pflegte, ge-stiefelt, im Wams, das Schwert umgehängt, und wußte alsbald, was das bedeute »Setz deine Mütze auf«, sagte der Ritter, »ich habe einen Gang mit dir zu tun.«
    Goldmund nahm seine Mütze vom Nagel und folgte seinem Herrn die Treppe hinab, über den Hof und zum Tor hinaus. Ihre Sohlen knirschten hell im leicht überfrorenen Schnee, am Himmel war noch Morgenrot Schweigend ging der Ritter voran, der Jüngling folgte und blickte mehrmals nach dem Hof zurück, nach dem Fenster seiner Kammer, nach dem beschneiten steilen Dach, bis es versank und nichts mehr zu sehen war. Nie würde er dies Dach und diese Fenster wiedersehen, nie mehr die Schreibstube und 132
    Schlafkammer, nie mehr die beiden Schwestern. Seit langem war der Gedanke an ein plötzliches Scheiden ihm vertraut, dennoch zog sich sein Herz schmerzlich zusammen.
    Bitter weh tat ihm dieser Abschied
    Eine Stunde lang gingen sie so, der Herr voran, beide ohne zu sprechen. Goldmund begann an sein Schicksal zu denken. Der Ritter war bewaffnet, vielleicht würde er ihn erschlagen. Er glaubte jedoch nicht daran. Die Gefahr war klein, er brauchte nur davonzulaufen, so stand der alte Mann mit seinem Schwerte hilflos. Nein, sein Leben war nicht in Gefahr. Aber dieses Gehen und Schweigen, hinter dem beleidigten feierlichen Manne her, dies stumme Davongeführtwerden wurde ihm von Schritt zu Schritt peinlicher. Endlich blieb der Ritter stehen.
    »Du wirst nun«, sagte er mit geborstener Stimme, »allein weitergehen, immer in dieser Richtung, und wirst dein Wanderleben führen, wie du es gewohnt warst. Solltest du dich jemals wieder in der Nähe meines Hauses zeigen, so wirst du abgeschossen. Ich will keine Rache an dir nehmen, ich hätte klüger sein und einen so jungen Menschen nicht in die Nähe meiner Töchter kommen lassen sollen. Solltest du es aber wagen zurückzukommen, so ist dein Leben verloren. Geh nun, möge dir Gott verzeihen!«
    Er blieb stehen, im fahlen Schneemorgenlicht sah sein graubärtiges Gesicht wie erloschen aus. Wie ein Gespenst blieb er stehen und wich nicht von der Stelle, bis Goldmund über den nächsten Hügelkamm verschwunden war.
    Die rötlichen Schimmer am Wolkenhimmel hatten sich verloren, keine Sonne kam hervor, es begann langsam in dünnen, zögernden Flocken zu schneien.

133
Neuntes Kapitel
    Von manchem Ritt her kannte Goldmund die Gegend,
    jenseits des gefrorenen Rieds wußte er eine Scheune des Ritters stehen, weiterhin auch einen Bauernhof, wo man ihn kannte, an einem dieser

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