Fußballschule am Meer Bd. 3 - Im Alleingang
Finn humpelte über den Parkplatz zum Eingang der Fußballschule. Er war so ausgelaugt und platt, dass er sich kaum noch bewegen konnte. Wie so oft in den vergangenen Tagen hatte er sich mal wieder total ausgepowert.
Gleich nach der Mittagspause war er in den Kraftraum im Keller des Internatsgebäudes gegangen und hatte dort Gewichte gestemmt, jede Menge Sit-ups gemacht und in Rekordzeit zwanzig Kilometer auf dem Ergometer gestrampelt. Danach war er im Pool hinterm Haus 20 Bahnen geschwommen, bevor er seine Laufschuhe angezogen hatte und am Strand von Norderdünersiel entlanggelaufen war. Immer hin und her, immer durch den tiefsten Sand und immer im höchsten Tempo!
Wer Finn nicht kannte, konnte glauben, dass er für den nächsten «Ironman» auf Hawaii trainierte, dem wohl härtesten Triathlon der Welt. Auch wenn die Reihenfolge der einzelnen Disziplinen nicht ganz stimmte.
Doch Finn war kein Leichtathlet, sondern Fußballspieler, und er wollte weder auf Hawaii mitmachen noch beim «Hafentriathlon» in Leer oder beim «Nordsee-Man Triathlon» in Wilhelmshaven. Finn wollte einfach nur Pitt Fischer, seinem Trainer, beweisen, was in ihm steckte!
Der Co-Trainer der Ligamannschaft des FC Norderdünen war seit dem Sommer auch für die gemischte D-Jugend des Vereins verantwortlich und machte ein knallhartes Training. Sein Motto hatte er den Jungs und Mädchen vor der ersten Trainingseinheit unmissverständlich mitgeteilt: «Ich erwarte viel von euch, aber dafür biete ich auch viel. Wer sich quält, wer im Training mitzieht, wer sich durchsetzen will, der kann bei mir ein ganz Großer werden. Wer es nicht schafft, hat es auch nicht verdient, in meiner Mannschaft zu spielen!»
Finn wollte es unbedingt schaffen, denn er hatte ein klares Ziel vor Augen: Er wollte dabei sein, wenn der FC Norderdünen in sechs oder sieben Jahren in die Bundesliga aufsteigen würde. Und zwar nicht als Zuschauer oder einfaches Mitglied des Vereins, sondern als Spieler auf dem Rasen!
Finn zweifelte keine Sekunde daran, dass der Club sein ehrgeiziges Ziel erreichen würde. Also musste er nur Pitt Fischer davon überzeugen, dass er ein Vollblutfußballer war, und schon würden ihn alle im Verein auf dem Weg von der D-Jugend bis zur Bundesliga unterstützen!
Unabhängig davon machte es Finn aber auch Spaß, sich selbst alles abzuverlangen. Im Grunde fühlte er sich nur richtig gut, wenn er alles gegeben hatte. Zumindest körperlich. Seinen Kopf beanspruchte er dagegen immer weniger.
Das fiel ihm umso leichter, je mehr er sich tagsüber verausgabte. Deshalb gab er nicht nur beim Sport in der Schule und beim Vereinstraining mit Pitt Fischer alles,sondern quälte sich darüber hinaus in jeder freien Minute auch noch alleine weiter. So lange, bis kein einziger Funken Energie mehr in ihm steckte. Er wollte am Abend nicht mehr in der Lage sein, an irgendetwas denken zu können.
Die Strategie funktionierte, und so beschäftigte Finn sich in diesen Tagen ausschließlich mit den drei Dingen, die ihn am meisten interessierten: Fußballspielen, Fußballtraining und Fußballersprüche! Dass es daneben noch einiges gab, was auch ein Fußballerleben lebenswert machte, ging an Finn vorbei. Ihm fehlte nichts. Glaubte er jedenfalls. Aber das sollte sich schon sehr bald ändern!
Finn freute sich auf die Dusche, als er das Internatsgebäude betrat und sich die Treppe hinauf in den ersten Stock schleppte, wo die Zimmer der D-Junioren lagen. Vielleicht würde er später noch ein bisschen im Internet nach neuen Fußballersprüchen suchen oder zum Ausschwimmen nochmal in den Pool springen. Mehr war an diesem Tag dann aber wirklich nicht drin!
Luca, mit dem er das Zimmer teilte, schaute nicht einmal hoch, als Finn eintrat. Er saß an seinem Schreibtisch und sah schwer beschäftigt aus. Neben ihm auf dem Boden stapelten sich die Schulbücher.
Verdammt, die Hausaufgaben!, dachte Finn. Er war in der Schule bereits einige Male negativ aufgefallen, weil er seine Aufgaben gar nicht oder nur zum Teil gemacht hatte. Auch an diesem Tag hatte er keine Lust dazu.
Nur widerwillig setzte Finn sich an seinen Schreibtisch.Er wusste genau, dass es im Grunde überhaupt keinen Sinn machte. Dafür hatte er sich in den vergangenen zwei Stunden den Kopf viel zu gründlich leertrainiert!
Um den Schein zu wahren, kramte er seine Schulsachen hervor und tat wenigstens ein paar Minuten lang so, als ob er die Hausaufgaben machen würde. Doch schon bald schaute er immer öfter
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