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Narziss Und Goldmund

Narziss Und Goldmund

Titel: Narziss Und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Diesmal wußte er, wieviel es bedeute und welch seltene Gunst es sei, vom Meister zu Tisch geladen zu werden. Als er die Treppe zu der mit Figuren überfüllten Diele hinanstieg, war dennoch sein Herz lange nicht so voll. Ehrfurcht und banger Freude wie jenes andere Mal, da er mit klopfendem Herzen in diese schönen stillen Räume getreten war.
    Auch Lisbeth war geputzt und trug eine Kette mit Steinen um den Hals, und zu Tische gab es außer dem Karpfen und Wein noch eine Überraschung: der Meister schenkte ihm einen ledernen Geldsäckel, in dem waren zwei Goldstücke, Goldmunds Lohn für die fertig gewordene Figur.
    Diesmal saß er nicht stumm, während Vater und Tochter sich unterhielten. Beide sprachen ihn an, und es wurde mit den Bechern angestoßen. Goldmunds Augen waren fleißig, er nahm die Gelegenheit wahr, das schöne Mädchen mit dem vornehmen und etwas hochmütigen Gesicht genau zu betrachten, und seine Augen verschwiegen nicht, wie sehr sie ihm gefalle. Sie zeigte sich artig gegen ihn, aber daß sie nicht errötete noch warm wurde, enttäuschte ihn.
    Wieder wünschte er innig, dies schöne unbewegte Gesicht zum Sprechen zu bringen und zur Preisgabe seines Geheimnisses zu zwingen.
    Nach Tische bedankte er sich, verweilte ein wenig bei den Schnitzereien der Diele und trieb sich den Nachmittag unentschlossen, ein ratloser Müßiggänger, in der Stadt herum. Er war vom Meister sehr geehrt worden, über alles Erwarten. Warum machte es ihn nicht froh? Warum
    schmeckte alle diese Ehre so wenig festlich?
    Einem Einfall folgend, mietete er ein Pferd und ritt in das Kloster hinaus, wo er einst zum erstenmal ein Werk des Meisters gesehen und seinen Namen gehört hatte. Vor 185
    ein paar Jahren war das gewesen und war doch so
    unausdenklich lange her. In der Klosterkirche besuchte und betrachtete er die Mutter Gottes, und auch heute wieder entzückte und bezwang ihn dieses Werk, es war schöner als sein Johannes, es war ihm gleich an Innigkeit und Geheimnis und war ihm überlegen an Kunst, an frei-em, schwerelosem Schweben. Er sah jetzt an dieser Arbeit Einzelheiten, die nur der Künstler sieht, leise zarte Bewegungen im Gewand, Kühnheiten in der Bildung der langen Hände und Finger, feinfühlige Benutzung von Zufälligkeiten in der Struktur des Holzes – alle diese Schönheiten waren zwar nichts im Vergleich mit dem Ganzen, mit der Einfachheit und Innigkeit der Vision, aber sie waren eben doch da, und waren sehr schön, und waren auch dem Begnadeten nur möglich, wenn er das Handwerk aus dem Grunde verstand. Um so etwas machen zu können, mußte einer nicht nur Bilder in seiner Seele hegen, er mußte auch Augen und Hände unsäglich geschult und geübt haben.
    Vielleicht war es also doch der Mühe wert, sein ganzes Leben in den Dienst der Kunst zu stellen, auf Kosten der Freiheit, auf Kosten der großen Erlebnisse, nur um einmal etwas so Schönes hervorzubringen, das nicht nur erlebt und geschaut und in Liebe empfangen, sondern auch bis ins letzte mit sicherer Meisterschaft gekonnt war? Dies war eine große Frage.
    Goldmund kehrte spät in der Nacht auf ermüdetem
    Pferd in die Stadt zurück. Eine Schenke stand noch offen, dort aß er Brot und trank Wein, dann stieg er in seine Kammer am Fischmarkt hinauf, mit sich selbst uneins, voller Fragen, voller Zweifel.

186
    Zwölftes Kapitel
    Andern Tags konnte Goldmund sich nicht entschließen, in die Werkstatt zu gehen. Wie schon manchen unlustigen Tag trieb er sich in der Stadt herum. Er sah die Frauen und Mägde zu Markte gehen, hielt sich besonders beim Fischmarktbrunnen auf und sah den Fischhändlern und ihren derben Weibern zu, wie sie ihre Ware feilboten und anpriesen, wie sie die kühlen silbernen Fische aus ihren Bottichen rissen und darboten, wie die Fische mit schmerzlich geöffneten Mäulern und angstvoll starren Goldaugen sich still dem Tode ergaben oder sich wütend und verzweifelt gegen ihn wehrten. Wie schon manches Mal ergriff ihn ein Mitleid mit diesen Tieren und ein trauriger Unmut gegen die Menschen, warum waren sie so stumpf und roh und unausdenklich dumm und blöde,
    warum sahen sie alle nichts, weder die Fischer und Fischweiber noch die feilschenden Kaufer, warum sahen sie diese Mäuler, diese zum Tod erschreckten Augen und wild um sich schlagenden Schwänze nicht, nicht diesen grausigen nutzlosen Verzweiflungskampf, nicht diese unerträgliche Verwandlung der geheimnisvollen, wunderbar schönen Tiere, wie ihnen das leise letzte Zittern über die

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