Rotkäppchen auf Koks (Bronco Baxter - Gay Story 2) (German Edition)
»Für dich, Bronco«,
sagte Rudy, der von den vielen Plätzchen, die er in der Vorweihnachtszeit
bereits in sich hineingestopft hatte, noch dicker geworden war. Er stand hinter
dem Tresen im Eingangsbereich des Muscle Steel Clubs , in dem ich
regelmäßig trainierte, und hielt eine kleine Tüte hoch. »Etwas Naschwerk«,
kicherte er. »Habe ich selbst gebacken.«
»Danke, aber ich will
nicht zunehmen. Ich habe soeben eine Stunde lang hart trainiert und das soll
nicht umsonst gewesen sein.«
»Nur weil du vor einigen
Wochen 35 Jahre alt geworden bist, musst du nicht auf Dauerdiät gehen«, meinte
Rudy, der in meinem Sportstudio als Mädchen für alles arbeitete. Ich lachte,
nahm ihm die Tüte aus der Hand, bedankte mich und steckte sie in die
Manteltasche. Rudy rieb sich die Hände. »Freust du dich schon auf das
Weihnachtsfest, Bronco? In einigen Tagen ist es soweit.«
»Mir egal. Als kleiner
Junge fand ich es toll. In diesem Jahr lasse ich es ausfallen.« Ich verschwieg
ihm, dass es niemanden gab, mit dem ich hätte Weihnachten feiern können.
Rudy bot mir einen
Kaffee an, ich war einverstanden. Er nahm eine Thermoskanne in die Hand,
schenkte mir eine Tasse ein, stellte sie vor mich hin und schob mir Milch und
Zucker zu. Ich nahm nur ein wenig Milch, rührte sie mit dem Löffel um und trank
einen Schluck.
Rudy zog unterm Tresen die
aktuelle Ausgabe von Photoplay vom Dezember 1938 hervor, auf deren
Titelseite die Schauspielerin Vivien Leigh in einem blauen Ballkleid als
Südstaatenschönheit Scarlett O’Hara zu sehen war. »Bist du auch neugierig,
Bronco?«, wollte er wissen.
»Worauf soll ich
neugierig sein?«
»Auf die
Oscar-Verleihung. Ich bin sicher, dass Gone with the wind viele Oscars
gewinnen wird. Wirst du dir den Film ansehen?«
»Auf keinen Fall.
Liebesschmonzetten sind nicht mein Ding.«
»Darf ich dich daran
erinnern, dass du gerne in Musicals gehst?«
»Da wird auch gesungen
und getanzt.«
Rudy deutete auf eine
Seite der Filmzeitschrift. »Hier ist ein exklusiver Bericht über die Premiere
in Atlanta. Alle waren da. Clark Gable hielt eine Rede und Vivien Leigh wurde
von der Menge fast erdrückt. Ich wünschte, ich wäre auch dabei gewesen.«
»Ich nicht.«
»Die anderen
Schauspielerinnen werden vor Neid platzen, falls Vivien einen Oscar bekommt«,
tönte Rudy.
Ich sah ihn prüfend an. »Wärst
du nicht die Idealbesetzung für Scarlett O’Hara?«
Rudy warf sich in
Positur und ahmte sie nach: »Oh Ashley, mein Ashley, sage mir nur einmal, dass
du mich liebst, und ich werde mich daran klammern mein Leben lang!«
Ich klatschte Beifall. Rudy
verbeugte sich. »Du hast recht, Bronco«, sagte er. »Wieso habe ich mich nicht
für die Rolle der Scarlett O’Hara beworben?«
Ein junger Mann mit
militärischem Kurzhaarschnitt und mächtigen Muskeln betrat den Sportclub. Er
nickte uns zu, nahm von Rudy einen Schrankschlüssel entgegen und ging in den
Umkleideraum.
Rudy sah mich feixend
an. »Falls du ein verschärftes Training brauchst, dann schmeiße dich an unser
neues Mitglied ran. Er war mal Mr. Idaho.« Solche Geschichten hörte ich gerne. »Dann
werde ich ihn demnächst mal beschnuppern«, erwiderte ich, trank einen Schluck
Kaffee und zwinkerte Rudy zu. Der beugte sich vertrauensvoll über den Tresen. »Und
falls du danach pikante Details loswerden willst, Bronco, habe ich immer ein
offenes Ohr für dich.«
»Frage ihn doch selbst,
wenn du etwas wissen willst«, sagte ich. »Für deine Phantasien nachts unter der Bettdecke bin
ich nicht zuständig. Schmachte meinetwegen Clark Gable an. Mr. Idaho ist nichts
für dich!«
Rudy widersprach mir. »Woher
willst du das wissen, Bronco? Mein Fan-Club ist bunt gemischt. Erinnerst du
dich an den Cowboy aus Texas, der vor einem Jahr bei uns trainierte. Der hat
mir oft seine Knarre gezeigt.«
»Ach wirklich?«
Rudy warf mir einen
triumphierenden Blick zu. »Der stand nicht auf Muskelkerlen wie du, Bronco. Der
stand auf meinen Pfunden. Kommt durchaus vor.«
»Was macht Juan?«,
fragte ich, um ein anderes Thema anzuschneiden, und trank meinen Kaffee aus.
»Keine Ahnung, was er
macht«, sagte Rudy achselzuckend. »Er hat mir gestern erzählt, dass er heute
ein Casting am Broadway hat. Hoffentlich bekommt er endlich eine Rolle. Er
schuftet jeden Tag, um sich seinen Gesangs- und Tanzunterricht zu finanzieren.«
Juan arbeitete als
Kellner und Barkeeper im Macy’s . Das war mein Lieblingslokal und ich
wusste nicht, wie viele Hamburger ich dort bereits
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