Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nebel ueber Oxford

Nebel ueber Oxford

Titel: Nebel ueber Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
Vom Netzwerk:
gegangen ist?«
    »Blake? Der sitzt bestimmt in irgendeinem holzgetäfelten Saal herum, knabbert Fasanenschenkel und unterhält sich mit den anderen Professoren über Philosophie«, entgegnete Lucy betont locker, obwohl Sam erkennen konnte, dass Conors Bemerkung sie getroffen hatte.
    »Professoren unterhalten sich nie über Philosophie«, widersprach Greg. »Bei denen geht es immer nur um Gelder für Forschungsprojekte und wie man am besten daran kommt. Ich glaube, das ist für diese Leute das Wichtigste in ihrem Leben. Ohne Geld keine Forschung.«
    »Na ja, so krass kann man das sicher nicht sehen«, protestierte Lucy.
    »Krass ist genau das richtige Wort für das, was hier abläuft«, stellte Conor fest.
    »Halt den Mund, Conor«, mischte sich Sam freundlich ein. »Ich bin sicher, dass die Arbeit hier auch dann weiterginge, wenn die Pharmaindustrie uns die Zuwendungen kappen würde. Immerhin stehen wir ziemlich im Fokus der Öffentlichkeit.«
    »Darauf würde ich mich nicht unbedingt verlassen«, sagte Greg. »Vielleicht gibt es keine finanzielle Alternative.«
    »Hat einer von euch vielleicht einen Schluck Wasser für mich?«, fragte Lucy hoffnungsvoll.
    »Negativ. Warum trinkst du nicht deinen Saft?«
    »Weil ich zum Essen lieber Wasser trinke. Den Saft hebe ich mir als Nachtisch auf.«
    »Die spinnt doch«, murmelte Conor. Er hatte eine Zigarettenschachtel aus der Tasche gezogen und drehte und wendete sie, weil er nicht glauben mochte, dass sie schon wieder leer war.
    »Ach übrigens, Lucy«, begann Greg von Neuem, »du weißt hoffentlich, dass Blake in festen Händen ist. Er lebt mit einer Frau zusammen.«
    »Ach wirklich? Und wieso bekommen wir die Dame dann nie zu Gesicht?«
    »Vielleicht will er sein Privatleben nicht an die große Glocke hängen.«
    Die Unterhaltung schleppte sich weiter. Sam dachte darüber nach, dass schon seit vielen Jahren Menschen auf dieses Dach hinaufstiegen, um in der schäbigen Hütte ihr Mittagessen zu verzehren, und dass er dadurch, dass er es ihnen gleichtat, eine lange Tradition fortsetzte. Er sprach den Gedanken allerdings nicht aus, weil er – übrigens sehr richtig – vermutete, dass die anderen seinen Respekt vor Traditionen nicht teilten.
    »Was ist denn das?«, fragte Greg schläfrig und rieb einen Apfel an seinem Sweatshirt ab.
    »Linsensalat«, sagte Lucy.
    »Nein! Ich meine den Lärm da unten. Hört ihr das auch?«
    Die anderen schwiegen und lauschten. Es hörte sich an wie ein ferner, Hochwasser führender Fluss.
    »Irgendwelche Leute, die herumschreien«, stellte Kerri nervös fest.
    »Scheint wieder mal eine Demo zu sein«, sagte Greg, der länger als die anderen im Labor arbeitete und an derartige Unterbrechungen gewöhnt war.
    »Meinst du etwa, die schreien unseretwegen?«, fragte Kerri.
    »Keine Sorge, Kerri. Demos sind hier an der Tagesordnung«, versuchte Lucy sie zu beruhigen und öffnete ihre Dose mit Cranberry-Saft. »Die meinen uns nicht persönlich.«
    »Hört sich an, als wäre es ihnen bitterernst«, meinte Greg. »Aber ich glaube, hier oben können sie uns nichts anhaben«, fügte er an Kerri gewandt hastig hinzu.
    Als der Lärm näher kam und lauter wurde, standen alle auf und spähten über die niedrige Brüstung nach unten.
    »Ich habe Höhenangst«, sagte Kerri so leise, dass nur Sam sie hören konnte.
    »Halt dich an mir fest. Ich lasse dich ganz bestimmt nicht fallen«, antwortete er fröhlich und legte einen Arm um ihre Schulter.
    Conor lehnte sich weit über die Brüstung hinaus und drehte den Kopf in Richtung des Lärms. Schwindelgefühle schien er nicht zu kennen.
    Als die Demonstranten um die Ecke bogen und sich den hohen, aus Glas und Beton bestehenden Universitätsgebäuden näherten, wurden die Geräusche lauter. Die auf dem Dach versammelte Gruppe konnte sogar einige Parolen deutlich verstehen.
    »Was wollen sie dieses Mal?«, fragte Lucy gelangweilt.
    »Das Übliche«, sagte Greg. »Tod den Wissenschaftlern und solches Zeug.« Seine Worte klangen flapsig, doch Sam konnte sehen, dass ihm die emporbrandende Aggression ebenso wenig gefiel wie Kerri oder Lucy.
    Kerri zitterte ein wenig. Sam nahm sie fester in den Arm.
    »Greg hat recht«, flüsterte er ihr zu, »hier oben sind wir sicher.«
    »Mag sein«, mischte sich Greg, der Sams tröstende Worte gehört hatte, mit verbitterter Stimme ein. »Immerhin versuchen sie unsere Arbeit zu stören. Die Investoren sind davon sicherlich nicht gerade erbaut.« Unten auf der Straße wehte kein

Weitere Kostenlose Bücher