Nebelfront - Hinterm Deich Krimi
und zog sich zurück, aber nicht
gleichmäßig. Es schien, als würden sich einzelne dichtere Schwaden an manchen
Stellen festsetzen, während ein Stück weiter das Grün im feuchten Glanz eines
trüben Morgens schimmerte.
Eine Dreiviertelstunde nach dem Anruf trafen die drei Mitarbeiter
der Spurensicherung mit ihrem alten VW LT ein.
»Da kommt Klaus«, sagte Große Jäger, als er das Husten und Niesen
hörte, das charakteristisch für den kleinen Hauptkommissar mit den fast nicht
mehr wahrzunehmenden kurzen Haaren war, die zumindest an den noch nicht völlig
kahlen Stellen einen Hauch von Kopfhaar andeuteten.
»Hier sind wir«, rief Große Jäger, als die Männer um die Ecke bogen.
»Moin, Klaus. Dein Niesen wirkt bei Nebel wie ein Echolot.«
»Spar dir deinen Kommentar«, erwiderte Jürgensen. »Ich bin immer nur
dann Allergiker, wenn ich zu euch an die Westküste kommen muss. Ich bete seit
Jahren, dass endlich eine große Sturmflut kommt und euch wegspült.«
»Und Flensburg zur Insel macht?«
»Zur Insel der Glückseligen. Aber das sind wir jetzt schon. Was habt
ihr zu bieten?« Jürgensen schnupperte in der Luft.
»Eine Leiche.«
»Eine?« Sein ausgestreckter Arm beschrieb einen Halbkreis. »Ich
vermute – viele.«
»Ja«, bestätigte Große Jäger. »Und die wollen wir alle nacheinander
obduzieren. Fangen wir mit einer an, haben wir gedacht. Im Unterschied zu euch
Ostküstenbarbaren sind wir Nordfriesen ein bescheidenes und rechtschaffenes
Volk.«
Jürgensen sah sich demonstrativ um. »Wo ist hier ein Nordfriese? Ich
sehe keinen.«
»Hier sind ganz viele. Die haben wir vor Kannibalen wie dir aber gut
versteckt, etwa eineinhalb Meter unter der Erdoberfläche.«
»Bringt ihr euch jetzt gegenseitig um? Endlich. Das ist auch eine
Lösung.«
»Den letzten Toten hast du auf dem Gewissen. Als wir ihn gefunden
haben, hast du ihn mit deiner ewigen Erkältung so infiziert, dass die Leiche
ganz gestorben ist.«
Jürgensen räusperte sich. »Wo müssen wir hin?«, schaltete er
urplötzlich auf Ernsthaftigkeit um.
Christoph wäre enttäuscht gewesen, wenn es heute bei der Begrüßung
kein Geplänkel zwischen den beiden gegeben hätte.
Wie in einer Prozession gingen sie zur Grabstelle Dr. Pferdekamps.
Jürgensen warf einen Blick darauf. »Mein Gott«, sagte er. Das reichte.
Mit ernster Miene sah er Christoph an. »Wer macht so etwas?«
»Das versuchen wir herauszufinden.« Christoph klopfte Jürgensen
aufmunternd auf die Schulter. »Ich glaube, Klaus, unser Job ist in diesem Fall
der einfachere.«
Das war nicht nur dahergesagt. Schon oft hatte Christoph im Stillen
die Frauen und Männer der Spurensicherung bewundert, die mit nahezu stoischem
Gleichmut einer Arbeit nachgingen, die kaum beschreibbar war.
Jürgensen nickte andächtig. »Wir kümmern uns«, sagte er. »Euch
brauchen wir hier nicht mehr. Wollt ihr noch etwas ansehen?«
»Nein. Danke.«
»Wir legen das frei und bringen es zur KTU nach Kiel.« Er sah sich um. »Außerdem werden wir die Umgebung nach Spuren
absuchen.«
»Viel Erfolg«, sagte Christoph und schob ein anerkennendes und herzliches
»Danke« hinterher. Dann rief er noch einmal Hilke Hauck an. »Habt ihr schon
etwas herausfinden können?«
»Nicht viel. Dr. Hasso Pferdekamp war bis vor einigen Jahren
niedergelassener Arzt in Garding.«
»Welche Fachrichtung?«, unterbrach Christoph sie.
»Praktischer Arzt. Also Facharzt für Allgemeinmedizin, wie das heute
wohl heißt. Nach Aufgabe seiner Praxis ist er nach Husum gezogen. Allerdings
war er in der Lornsenstraße schon länger gemeldet.«
»Wie lange?«
»Puh.« Es dauerte einen Moment, bis Hilke Hauck die Stelle gefunden
hatte. »Wenn ich es richtig interpretiere, wohnt er schon seit dreißig Jahren
in Husum.«
»Und hat in Garding praktiziert? Es gibt doch eine Residenzpflicht
für Ärzte. Die dürfen ihren Wohnsitz nicht weiter als eine bestimmte Entfernung
von der Praxis wählen, damit sie in Notfällen für die Patienten erreichbar
sind.«
»Garding ist nicht aus der Welt.«
»Ich bin kein Jurist, habe aber Zweifel, ob ein Wohnsitz in Husum
noch im Toleranzbereich liegt. Wie lange war Dr. Pferdekamp Arzt in
Garding?«
»Du fragst Sachen. Moment.« Erneut brauchte Hilke Hauck einen
Augenblick Zeit zur Beantwortung der Frage. »Zweiunddreißig Jahre. Vor neun
Jahren hat er aufgehört.«
»Da war er einundsiebzig«, überlegte Christoph. »Dann müsste er noch
für Privatpatienten tätig gewesen sein, da er seine
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