Nebelfront - Hinterm Deich Krimi
Oberkommissar.
Vollstedt nickte. »Klar. Sonst hätte ich es ja nicht sehen können.
Und Lenny war auch da. Und die da.« Dabei zeigte er auf die beiden
uniformierten Beamten.
Damit waren mögliche Spuren zerstört, überlegte Christoph und folgte
dem Oberkommissar, der sich zwischen zwei Beeten hindurchschlängelte.
»So eine Schweinerei habe ich in all den Jahrzehnten noch nicht
erlebt«, hörten sie Vollstedt in ihrem Rücken sagen.
Das mochte wohl zutreffen.
Das Erdreich war ausgehoben und neben dem Grab aufgehäuft. Der
Sargdeckel war eingeschlagen. Das Holz war zersplittert.
»Da hat jemand mit einem Beil draufgeschlagen«, stellte Große Jäger
fest.
Christoph stimmte ihm zu. Auch ohne dem Ergebnis der Spurensicherung
vorzugreifen, war zu erkennen, dass jemand mit einem stabilen Handbeil den
Deckel zertrümmert hatte.
Viel schlimmer war aber der Anblick dessen, was vom Verstorbenen
noch zu erkennen war. Und die Flüssigkeit, in der die sterblichen Überreste
schwammen.
Christoph hatte den hartgesottenen Oberkommissar selten entsetzt
gesehen. Jetzt stand ihm das Grauen ins Gesicht geschrieben.
»Da hat jemand den Sarg mit Fäkalien vollgeschüttet«, sagte Große
Jäger angewidert. Dann richtete er sich auf, holte tief Luft und wies die
beiden uniformierten Kollegen und Vollstedt von der Friedhofsverwaltung an:
»Wir müssen sofort diesen Teil des Friedhofs großflächig sperren. Am besten
wäre es, die gesamte Anlage zu schließen.«
»Wir haben um zehn Uhr die erste Beerdigung«, erklärte Vollstedt
schüchtern. »Ich glaube nicht, dass wir die absagen können. Darüber muss
allerdings der Chef entscheiden.«
Große Jäger warf Christoph einen raschen Blick zu. Dann entschied
er: »Eine Verschiebung kann man der Trauergemeinde nicht zumuten. Die Kapelle
ist weit genug entfernt.« Er sah sich um. »Wo ist die Grabstätte?«
»Ein Stück weiter Richtung Flensburger Chaussee.«
»Kommen die hierher, ich meine, in die Nähe?«
»Nicht unbedingt.«
»Gut. Dann schließen wir den Friedhof, lassen nur die Trauergäste
der Beerdigung durch und sperren diesen Teil ab. Sprechen Sie mit Ihrem Chef.
Oder sollen wir das machen?«
Vollstedt schüttelte den Kopf. »Der ist in Ordnung. Da gibt es keine
Probleme.«
Christoph war ein paar Schritte zur Seite gegangen und rief die
Spurensicherung in Flensburg an.
»Habt ihr wieder eine Leiche? Lass mich raten: eine schmutzige«,
erklärte Hauptkommissar Klaus Jürgensen, der Leiter des K6 in der zuständigen
Bezirkskriminalinspektion. Dann nieste er und räusperte sich.
»Klaus«, begann Christoph und ging nicht wie sonst auf die üblichen
Frotzeleien ein. »Alles, was du gesagt hast, trifft zu, aber auf eine besonders
perfide Weise.« Mit wenigen Worten schilderte er, was sie vorgefunden hatten.
»Okay. Wir sind schon unterwegs«, erwiderte Jürgensen.
»Können Sie die Tatortsicherung übernehmen?«, bat Christoph die
beiden Beamten der Streife.
»Jungs, wir besorgen euch einen heißen Kaffee«, ergänzte Große
Jäger.
»Danke, für mich nicht«, wehrte der Jüngere ab, während sein Kollege
»Das wäre prima« antwortete.
Sie gingen zum Gebäude der Friedhofsverwaltung zurück, wo sie von
den dort wartenden Leuten mit fragenden Augen erwartet wurden.
»Wir haben die Untersuchungen aufgenommen«, beließ es Christoph bei
einer knappen Erklärung. Die Angestellte, die ihnen zuvor den Weg gewiesen
hatte, verschwand in das Innere des Hauses und kochte Kaffee. Der Leiter der
Friedhofsverwaltung veranlasste die von den Beamten erbetenen Maßnahmen.
»Wer liegt in dem Grab?«, fragte Christoph, als die Arbeiten
verteilt waren.
»Dr. Pferdekamp«, antwortete Henry Vollstedt spontan.
»Woher wissen Sie das so genau? Da liegen doch Hunderte von Toten
begraben«, fragte Christoph erstaunt.
»Ich mach das hier seit Jahrzehnten. Da kennt man sich ein bisschen
aus.«
»Sie kennen alle Gräber mit Namen?« Christoph war immer noch
verblüfft.
»Nicht alle. Bewahre. Aber viele«, erklärte Vollstedt.
»Und wer war Dr. Pferdekamp?«
»Muss man den kennen?«, fügte Große Jäger an.
»Persönlich bin ich ihm nie begegnet«, erklärte Vollstedt. »Ich weiß
nur, dass auf dem Grabstein ›Dr. med. Hasso Pferdekamp‹ steht.«
»Ein Arzt«, sagte Christoph leise, mehr zu sich selbst gewandt. »Wie
lange ist der Mann schon tot?«
»Ungefähr zwei Jahre.«
»Geht es ein bisschen genauer?«, fragte Große Jäger.
Vollstedt zuckte hilflos mit den Schultern.
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