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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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jungen Schüler und entriss ihm ein dünnes Pergament. Sein Mund verzerrte sich vor Wut. »Weißt du, was du hier verbrennst?«, brüllte er. »Hier! Sieh es dir an!« Der Junge -zwölf, vielleicht dreizehn Jahre alt - starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an und brachte kein Wort hervor. Charog schrie auf, riss dem Kind wie von Sinnen den Kiefer auseinander und stopfte ihm das Papier in den Schlund. »Das Traktat von Loana! Erinnerst du dich an dein erstes Lehrjahr, als man dir befahl, es auswendig zu lernen? Hast es nicht getan, nicht wahr? Hast Besseres zu tun gehabt, du Schwachkopf!« Der Junge hustete, schlug wild mit den Armen um sich. »Jetzt brennt es im Feuer«, schrie Charog, »brennt im Feuer, und du wirst es niemals wieder zu Gesicht bekommen, niemals wieder!« In ohnmächtiger Wut schlug er nach dem Jungen, bis eine Hand ihm Einhalt gebot.
    Es war Sorturo, neben Charog der älteste Professor der Universität.
    »Lass ihn in Ruhe.« Sorturos weiche Stimme ließ Charog erstarren. Er lockerte den Griff. Benommen brach der Junge zusammen, würgte das Papier hervor.
    Einst waren Charog und Sorturo Freunde gewesen, vor langer Zeit. Beide waren sie im gleichen Jahr von ihren Eltern in die Obhut der Universität gegeben worden; sie hatten in einem gemeinsamen Zimmer gelebt, hatten gemeinsam die harten Lehrjahre durchlitten. Beide waren erst Gesellen, dann Lehrmeister geworden - und nach dem Tod des alten Großmeisters Anwärter auf dessen Amt. So war Freundschaft der Rivalität gewichen. Sie hatten gelernt, sich auf Kosten des anderen zu profilieren, sich erbittert zu bekämpfen, sich schließlich zu hassen. »Ja, du hast Recht«, sagte Charog heiser. Eine große Müdigkeit überkam ihn, und unwillkürlich stützte er sich auf Sorturos Schulter; Sorturo, der kleiner war als er und etwas füllig; Sorturo mit seinem wirren, filzigen Haar und dem wüsten Bart, aus dem eine schmale Nase hervorragte. »Es ist die Verzweiflung«, flüsterte Charog. »All dies verlorene Wissen … bring mich fort von hier.« Charog war damals Großmeister geworden. Er hatte den Rat der Universität auf seine Seite gebracht, mit Lügen und falschen Versprechungen. Sorturo hingegen war von der Malkuda als Wortführer der Universität eingesetzt worden - ein Amt, das dem des Großmeisters an Macht kaum nachstand. Denn die Malkuda war die einflussreichste Loge Kathygas, des gesamten Nordens überhaupt; mächtiger als die Calindor oder die Solcata. Über die Hälfte der Zauberer, die an der Universität lebten, waren Logenbrüder der Malkuda; und so war Charog, wenn er auch Großmeister war, stets auf die Zustimmung Sorturos angewiesen. Sie hatten gelernt, sich zu arrangieren und den Hass zu begraben. Nur Misstrauen war geblieben - und die Angst, eines Tages doch vom anderen verdrängt zu werden.
    Sorturo schob die Hand des Großmeisters fort. Der Widerschein des Feuers tanzte in seinen Augen. »Nein, Charog«, sagte er mit fester Stimme. »Du kannst jetzt nicht fort. Du bist der Großmeister. Du musst hier bleiben, bis sie kommen.«
    Der Wächter drängte sich zwischen sie. »Zweihundert oder mehr!« Seine Stimme zitterte. »Großmeister, wir müssen fliehen! Sie werden uns alle umbringen!«
    Sorturo stieß den Wächter beiseite. »Die Goldei werden die Universität stürmen. Nimm endlich Vernunft an, Charog! Wir müssen die Quelle zerstören.«
    »Niemals!«
Charog richtete sich auf, bis er Sorturo um fast zwei Köpfe überragte. »Niemals! Sie werden nicht verstehen, wie man sie benutzt … ohne die Bücher werden sie es nicht wissen!«
    »Oh, sie werden!« Sorturos Stimme war voller Verzweiflung. »Sie sind nur wegen der Quelle gekommen. Lass es uns zu Ende führen! Wir werden es gemeinsam tun, Charog - sie zerstören, bevor es zu spät ist.« »Nein! Das dürfen wir nicht! Seit Jahrhunderten dient sie dieser Universität. Generationen von Zauberern haben sie erforscht, haben aus ihr geschöpft, haben gelernt, sie in Zaum zu halten! Es steht uns nicht zu, sie zu schließen! Es wäre ein Verrat an unseren Lehrmeistern.«
    »Du redest wirr!«, zischte Sorturo. »Wir hätten sie schon lange vernichten müssen, am selben Tag, als wir von den Goldei erfuhren! Weißt du denn nicht, was geschehen wird? Die Goldei werden sie aus ihren Grenzen lassen!«
    »Was wissen diese Echsen schon!« Charog rang mit den Händen. »Sie werden die Quelle nicht verstehen.« Sorturo packte ihn am Mantel. »Du bist blind, wenn du die Gefahr nicht siehst.« Er

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