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Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Donnerstag, 19.   Dezember
    Der Hund war alt. Seine Hüften waren durch Verkalkungen steif und ungelenk geworden. Durch die Krankheit ähnelte das Tier fast einer Hyäne, mit kräftiger Brust und einer gewaltigen Nackenpartie, die zu dem mageren Hinterteil hin jählings schmaler wurde. Der Schwanz krümmte sich um die Hoden.
    Das räudige Tier kam und ging. Niemand konnte sich daran erinnern, wann es zuerst aufgetaucht war. Es gehörte in gewisser Weise zu dieser Gegend dazu; eine Unannehmlichkeit, die man nicht vermeiden konnte, wie das Scheppern der Straßenbahnen, die falsch geparkten Wagen und die bei Glatteis nicht gestreuten Wege. Man mußte sich eben vorsehen. Die Kellertüren verschlossen halten. Die Katze über Nacht ins Haus holen. Im Hinterhof sorgfältig die Deckel auf die Mülltonnen legen. Manchmal beschwerte jemand sich bei der Gesundheitsbehörde, wenn an drei Morgen hintereinander Essensreste und andere Abfälle bei den Fahrradständern herumlagen. Eine Reaktion kam nur selten, und nie wurde auch nur der Versuch unternommen, das Tier zu fangen.
    Wenn sich jemand die Frage gestellt hätte, wie dieser Hund eigentlich lebte, dann wäre die Antwort gewesen, daß er sich nach einem gewissen Muster durch den Stadtteil bewegte, einem Muster, das unregelmäßig und deshalb nicht so leicht zu durchschauen war. Wenn jemand sich dafür interessiert hätte, hätte dieser Jemand erkennen können, daß der Hund nie weit weg war, daß er selten sein Revier verließ und daß dieses Revier nur fünfzehn oder sechzehn Häuserblocks umfaßte.
    So lebte der Hund seit fast acht Jahren.
    Er kannte sein Revier und machte um andere Tiere einen großen Bogen. Er wich Schoßhunden an bunten Nylonleinen aus und wußte schon längst, daß Rassekatzen mit einer Glocke am Hals eine Versuchung darstellten, der er besser nicht erlag. Er war ein herrenloser Bastard in Oslos nobelstem Westend und blieb deshalb lieber in Deckung.
    Die unerwartet hohen Temperaturen vor Weihnachten lagen hinter ihnen. Ein eiskalter Frost hatte den Asphalt überzogen. In der Luft lag ein Hauch von Schnee. Der Hund kratzte mit seinen Krallen über das Eis, und er zog ein Hinterbein nach. An der linken Seite seines Hinterteils leuchtete im Laternenlicht eine Schramme, sie schimmerte im spärlichen Fell violett und war verschmiert mit gelbem Eiter. Er war am Vorabend an einem Nagel hängengeblieben, auf der Suche nach einem Schlafplatz.
    Der Wohnblock lag ein Stück abseits der Straße. Ein Plattenweg durchschnitt den Vorgarten. Feuchtes, totes Gras und ein von einer Plane bedecktes Blumenbeet lagen in einem auf Kniehöhe von einer schwarz angestrichenen Kette abgegrenzten Bereich. Rechts und links des Eingangs stand je ein mit elektrischen Kerzen geschmückter Weihnachtsbaum.
    Der Hund unternahm an diesem Abend schon den zweiten Versuch, in ein Haus zu gelangen. In der Regel gab es immer irgendeinen Weg. Natürlich war es bei unverschlossener Tür am einfachsten. Ein leichter Sprung, ein Pfotenhieb gegen die Klinke. Ob die Tür sich nach außen oder nach innen öffnete, spielte normalerweise keine Rolle, unverschlossene Türen waren sowieso eine Kleinigkeit. Sie waren aber auch selten. In der Regel mußte er nach angelehnten Kellerfenstern suchen, nach lockeren Brettern an Mauern, die renoviert werden sollten, nach Luken unter morschen Kellertreppen. Nach Eingängen, die außer ihm alle vergessen hatten. Es gab nicht überall welche, und manchmal waren die Luken repariert worden, die Fensterblenden festgenagelt und die Mauern neu verputzt. Oft war alles dicht und undurchdringlich. Dann zog er weiter. Es konnte Stunden dauern, bis er einen Unterschlupf für die Nacht gefunden hatte.
    In diesem Haus gab es einen Zugang. Er kannte ihn, er war einfach, aber er mußte vorsichtig bleiben. Er schlief immer nur eine Nacht am selben Ort. Bei seinem ersten Versuch an diesem Abend war jemand gekommen. Das konnte schon einmal vorkommen. Dann lief er ganz schnell davon, zwei oder drei Blocks weiter. Legte sich unter einen Busch, einen Fahrradständer, versteckt für alle, die nicht so genau hinsahen. Dann machte er noch einen Versuch. Ein brauchbarer Zugang war schon zwei Versuche wert.
    Aber in der letzten Stunde war der Frost stärker geworden. Und es schneite jetzt wirklich; trockene leichte Flocken, die den Boden mit Weiß bedeckten. Er zitterte, und er hatte seit mehr als vierundzwanzig Stunden nichts mehr zu fressen gefunden.
    Jetzt lag das Haus ganz still vor

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