Nebenweit (German Edition)
konnte.
Bernd Lukas
(eigentlich Bernhard), geboren in München, der Hauptstadt des Freistaats Bayern, einem Bundesland der Bundesrepublik Deutschland, einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union.
Nach dem Studium der Zeitungswissenschaften langjähriger Korrespondent der ›Süddeutschen Zeitung‹. Verheiratet mit Carol, geb. Gillespie, die er als Korrespondent seiner Zeitung in Washington/USA kennengelernt hatte.
1
Man hätte meinen können, er schwebe mitten im Weltraum. Ringsum dehnte sich die samtschwarze Nacht, davor gleißten Myriaden von Lichtpunkten in allen Farben des Spektrums, Sterne, Galaxien, Sternhaufen sonder Zahl wie achtlos hingeworfenes Geschmeide aus der Hand eines Riesen.
Jonathan McDougal saß entspannt in seinem Sessel in der Aussichtslounge des Raumschiffs und genoss wohl zum hundertsten Mal das Panorama, das ihm in den Wochen seiner Reise zwar alltäglich geworden war, dennoch nicht aufhörte, ihn zu faszinieren.
Die Reise aus dem Centaurisystem in diese abgelegene Region der Galaxis dauerte jetzt schon Wochen, und McDougal fragte sich, ob das kosmische Schauspiel, das ihn erwartete, wirklich so viel Zeit wert war. Aber schließlich erlebte man nicht jeden Tag den Ausbruch einer Nova, und das durfte man sich einfach als erfahrener Weltenreisender nicht entgehen lassen. Ein diskretes Räuspern an seiner Schulter riss ihn aus seinen Gedanken. »Darf ich Ihnen noch ein Glas Champagner bringen«, erkundigte sich der Steward und sah ihn dabei erwartungsvoll an …
Nein, was soll das? Diesen Quatsch kauft ja doch keiner. Science Fiction dieser Art ist einfach passé, ob mir das nun passt oder nicht, machte ich mir klar und schob die Tastatur meines PC weg. Seit drei Wochen saß ich jetzt fast jeden Tag in meinem Arbeitszimmer im ersten Stock, vor dem Fenster das herrliche Alpenpanorama, und versuchte mir einzureden, die Welt würde auf einen SF-Roman aus meiner Feder warten. Aber was ich auch schrieb, es wirkte auf mich schal und abgedroschen, ein Abklatsch der zahllosen Bücher, die ich in den letzten dreißig Jahren gelesen und des runden Dutzends, das ich selbst früher einmal geschrieben hatte.
Vielleicht war ich deshalb mir selbst gegenüber so kritisch, weil jede Idee, jede Wendung, ja jede Person, die da vor mir auf dem Bildschirm Gestalt anzunehmen begann, schon nach wenigen Stunden auszurufen schien: »Das schreibst du jetzt bei Heinlein ab«, oder: »Die Idee stammt doch von van Vogt.«
Nein, ich musste mir etwas anderes einfallen lassen, um mir die Langeweile zu vertreiben. Oder, besser noch, die Schreiberei an den Nagel hängen und die herrliche Natur und mein Leben einfach mit dolce far niente genießen.
Angefangen hat dieser ganze neuerliche Schreibdrang wahrscheinlich mit unserem neuen Haus und diesem wunderschönen Arbeitszimmer mit dem großen Schreibtisch, dem riesigen Bildschirm meines neuen Mac, der Bücherwand und – last, but not least – dem erhabenen Gefühl der Weite und des Losgelöstseins, das dieses herrliche Bergpanorama mit sich brachte. Das neue Haus – ein Kleinod mitten in den Bergen, erbaut im vorletzten Jahrhundert aus massivem Ziegelwerk: breit, behäbig, bodenständig auf einer Hügelkuppe im Chiemgau hingestreckt unter einem Schindeldach mit ein paar Findlingen darauf, um den Winterstürmen zu trotzen, einem großen Balkon vor den luftigen Räumen im Obergeschoss, deren dicke Mauern vor der Hitze ebenso wie vor der Kälte schützen.
Wir, also Carol und ich, hatten unser ganzes bisheriges Leben im städtischen Bereich gelebt, beruflich in Washington, London und Tokio und zuletzt, im Vorruhestand, in einer Terrassenwohnung hoch über den Dächern Münchens, bis dort Lärm und Feinstaub anfingen, uns etwa ebenso zu ärgern wie die innenstädtische Enge, die jeden Ausflug in die City zur Qual machte.
»In unserem Alter zieht man doch nicht mehr um. Außerdem ist ein Haus im Voralpenland viel zu teuer. Schließlich beziehe ich zwar eine gute Pension, aber als Pensionist noch einmal eine Hypothek aufnehmen … nein wirklich nicht!«
Aber Carol kann hartnäckig und auch überzeugend sein, wie jeder weiß, der uns kennt, und so brachte sie eines Tages ein Maklerangebot an, das mich verblüffte. Ein Haus von rund 200 qm Wohnfläche, ein historischer Bau, aber in den letzten Jahren mit allen Errungenschaften der Technik ausgestattet, keine vierzig Kilometer von Rosenheim entfernt, also keineswegs jenseits jeglicher Zivilisation,
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