Neobooks - Transalp 8
Anselm, gehts ein bissl später? Die Bayern spielen.«
»Ja, wichtig, aber ich habe nicht mehr viel Strom. Also: Was hast du?« Plank hörte, wie sein Gesprächspartner einige kompliziert klingende griechische Silben ausspuckte, die nur ein deftiger Fluch sein konnten. Dann wurde eine Tür zugezogen.
Koralis begann ansatzlos mit seinem Bericht, um sich möglichst schnell wieder dem Fußballspiel widmen zu können. »Dein Spindler hatte im Knast so etwas wie eine Hassliebe zu einem kleinen Neonazi. Die haben sich anfangs bekriegt, und später sind sie beim Hofgang immer zusammen in den Kommunikationsbereichen gesessen.« Koralis wusste, dass Plank die in den Hof der Justizvollzugsanstalt Stadelheim eingelassenen Halbkreise kannte, in denen die Gefangenen sich setzen konnten, wenn sie miteinander sprechen wollten. »Der Typ, ein gewisser Roland Berlinger, ist ein halbes Jahr vor Spindler entlassen worden. Und ist seitdem untergetaucht. Der Verfassungsschutz hat auch nichts über ihn. Zumindest sagt das der Frohnwieser, den hab ich auf dem kleinen Dienstweg gefragt, um keine große Welle zu machen.«
»Der Frohnwieser Harald? Hm, dem trau ich eigentlich schon über den Weg. Der war so lange bei uns.«
»Wie dem auch sei. Jedenfalls hat er nichts über den Berlinger. Also: sagt er.«
»Und was hat der Spindler im Knast so gemacht? Was gelesen?«
»Bücher. Jede Menge. Alles Mittelalter. Aber kein Wunder. Hast du gewusst, dass er studiert hat? Kannst Magister Spindler zu ihm sagen, wenn du ihn triffst. Hat sich als Student einer Fernuni eingetragen. Magisterstudium Geschichte. Und fertiggemacht!«
»Respekt!«
»Und dadurch hatte der Herr Magister Spindler Internetzugang. Vom Richter genehmigt nach etlichen Anträgen. Aber nur auf spezielle Seiten, die einzeln vom Richter freigegeben werden mussten. Natürlich die Seiten der Fernuni. Und lauter Seiten mit Mittelaltergeschichte und so. Darüber wurden sogar Nutzungsprotokolle angefertigt, die dem Richter dann monatlich vorgelegt wurden. Alles dokumentiert. Also, wie oft er welche Seite wie lange angesehen hat. Na, was glaubst du, welche er mit weitem Abstand am allermeisten genutzt hat?«
»Machs nicht so spannend, Theo!«
»Die Seite der Abteilung Handschriften und Alte Drucke der Bayerischen Staatsbibliothek. Da kann man sich die ganzen alten Schinken im Faksimile ansehen, die die StaBi zusammen mit Google digitalisiert hat. Und wegen seines Studiums war das alles auch genehmigungsfähig.«
»Ein staatlich anerkannter Kunsträuber …«, staunte Plank.
»Unser Staat ist halt nett.«
»Zu nett, kommt es mir manchmal vor.«
Koralis sagte nichts. Er schnaufte tief in den Hörer. Dann schrie er auf. »Scheiße. Jetzt haben die Säcke ein Tor geschossen. Wart mal kurz …«
Plank hörte wieder eine Abfolge von komplizierten griechischen Lauten. Es war klar, dass es nicht die Bayern waren, die ein Tor geschossen hatten.
»Ich krieg graue Haare mit dem Kack-Verein. Diese Abwehr … gemeingefährlich …«
»No, no, no, Theo, der holde FC Bayern, Stern des Südens …«
»Ah ja. Apropos Stern: Der Ludwig von der Presseabteilung hat angerufen und gesagt, dass die vom Stern aus Hamburg sich gemeldet haben. Irgendwie haben sie Wind bekommen von der Nibelungenhandschrift, die verschwunden sei, und von einer alten Nazi-Geschichte, die damit zu tun haben soll. Der Ludwig hat sich vollkommen ahnungslos gegeben.«
»Was er ja hoffentlich ist.« Plank wollte nicht, dass der Pressesprecher des Präsidiums, der immer mal eine kleine Information in dem einen Fall gegen Stillschweigen eines Journalisten in einem anderen Fall eintauschte, jetzt mit dem Spezialthema Spindler hausieren ging.
»Von mir weiß er nix. Es weiß ja keiner was hier. Offiziell. Aber du ahnst nicht, was der Flurfunk alles meldet.«
»Ich wills auch gar nicht wissen, Theo.«
»Vielleicht doch. Irgendwer hat nämlich angefangen damit, dass die Handschrift, der ihr da nachrennt, der Hitler auf dem Nachtkastl gehabt haben soll.«
Plank biss sich auf die Unterlippe. Eigentlich hätte ja schon das mit der Handschrift niemand wissen sollen. »Ach, ja?«, fragte er möglichst unaufgeregt.
»Ja. Er soll das mal als sein Lieblingsbuch bezeichnet haben. Und angeblich ist die Handschrift ewig in seiner Wohnung am Prinzregentenplatz gelegen, bis sie in den letzten Kriegstagen von einer Dame aus Berlin abgeholt wurde. Das hat das Haushälter-Ehepaar, das für Hitler gearbeitet hat, nach dem Krieg irgendwo zu
Weitere Kostenlose Bücher