Nerd forever
kann sich den ganzen Tag lang ausruhen, weil er ja immer im Elektro-Rollstuhl fährt.
Er hat die breitesten Schultern im gesamten Goethe-Schule-Universum, weil er immer seine Arme trainiert, wenn er den Akku am Rollstuhl ausschaltet, um sich anzuschleichen.
Bissig erzählt mir endlich sein Geheimnis, warum er einen Elektro-Rollstuhl besitzt, obwohl er kein Handicap hat. Ganz einfach: Weil die Stadt Geld spart und die Hausmeister sich gleich um mehrere Schulen kümmern müssen. Außer, der Hausmeister hat ein Handicap! Deshalb haben sich Schmitt und Bissig die Handicap-Geschichte mit dem Rollstuhl ausgedacht. Ganz schön clever! Bissig streichelt mir noch einmal über den Kopf, sieht noch einmal Rick einschüchternd an, dann rollt er weiter.
Gestern war die Schule noch furchtbar, heute ist die Schule mein Revier. Mit einem Mal sind die Tage nicht mehr dunkel, sondern hell und wolkenlos wie im Auenland. Calvin behauptet zwar, ich hätte wegen seiner Super-Gegenteil-Kapseln keine Angst mehr,
aber ich kenne den wahren Grund: Hausmeister Bissigs Schutzschild.
So muss ich in den nächsten Tagen nicht mehr vor der Pause dringend auf Toilette und könnte sogar ganz auf die Bibliothek verzichten. Wäre da nicht Nerdine, denn ich will nicht ohne sie sein. Wir sitzen in den Pausen am Losertisch zusammen und machen freiwillig Aufgaben für andere. Es ist ein gutes Gefühl, anderen Schülern zu helfen. Und es ist ein noch besseres Gefühl, neben Nerdine sitzen zu dürfen. Immer wenn sie mich anschaut, kribbelt es in meinem Magen. Naja, ihr wisst, was ich meine. Obwohl die meisten von euch nicht zugeben wollen, wenn es sie mit ganzer Wucht erwischt hat.
Übrigens: Entgegen Frau Kastenholz’ Prophezeiung sind die Piranhas selbst nach acht Tagen noch nicht geschlüpft. Angelockt durch die Cambilder auf der Leinwand taucht auch Dr. Bauklo täglich in der Bibliothek auf. Frau Kastenholz wird dann regelmäßig rot, wenn er sie anschaut. Das deutet einen Zustand der Erregung an. Und er wird rot, wenn sie ihn anschaut. Es ist wie beim Tomatentreffen an der Gemüsetheke.
Nicht nur Rick und Alex, sondern auch meine Schwester Sarah lässt mich in Ruhe. Sie bastelt an Pinki Panza und rät mir: »Bau auch einen Roboter, damit ich ihn vernichten kann.« Dazu habe ich weder Zeit noch Lust. Ach ja, Mama hat ein Programm für Eltern geschrieben, damit diese sich nicht mehr streiten. Es heißt Liebhaben 1.0 . Und Papa ist mit seinem Projekt in Shanghai fertig. Zur Einweihung haben die Chinesen einen Elefanten in den Aufzug gestopft und sind mit ihm auf den 398 Meter hohen Wolkenkratzer gefahren. Dort musste der Elefant dann, nur auf seinen Hinterbeinen stehend, zwei Seelöwen auf den Vorderbeinen balancieren, die wiederum auf ihren Nasenspitzen zwei Kinder balancierten, die mit chinesischen Flaggen wedelten.
Mein Vater findet das bescheuert und ärgert sich. Ich kann darüber nur lächeln, denn ich sehe die Welt rosarot. Und gehe gerne in die Schule. Ganz gerne. Und steige hinten ins Körbchen des Pizzaboten und knattere dem Betonbau entgegen, auf dessen Eingangstür immer noch No Way und Keep out! steht.
Kapitel 24
»Gib es zu! Du hast die Piranha-Eier gestohlen!«
Alles ist gut, doch dann passiert die Katastrophe, die schlimmer ist als alle Katastrophen zuvor: Wir sind die erste Fünfminutenpause während des Lehrerwechsels alleine in der Klasse.
Rick klaut Kasimirs neues Handy, obwohl Kasimir Rick längst ein Handy abgegeben hat.
»Gib es mir bitte zurück!«
»Bin ich bescheuert?«, blafft Rick.
Ich sitze auf meinem Stuhl und bewege mich nicht. Wenn du ein Nerd bist und siehst, wie jemand fertiggemacht wird, hast du drei Möglichkeiten:
A) Du lachst dich über das Opfer kaputt.
B) Du schaust zu und freust dich, dass du nicht das Opfer bist.
C) Du hilfst dem anderen Opfer und wirst damit sofort selbst auch wieder Opfer.
Calvin wählt immer A) und stupst mich in die Seite. »Guck dir das an!!!! Ey, poooh! Geil ist das!!!!« Er redet wie Rick. Und lauter ruft er: »Super, Rick. Echt super! Geh doch mal mit Kasimirs iPhone auf die Cam vom Hausmeister. Guck mal, was unsere Piranha-Eier machen. Guck mal! Guck!«
Gesagt, getan. Rick ruft: »Ey! Und die Eier hast du angefasst. Respekt, Nerd. Da sind ja die Eier, die sind gestochen scharf. Retinabildschirmscharf. Super Retinabildschirm.«
Für Rick klingt das Wort Retina schön. Vermutlich weiß er nicht, dass Retina nur das lateinische Wort für Netzhaut ist, also jenen Teil in
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