Nero
»Ruhm und Ehre dem Imperator! Heil dem Claudius Nero, der Wonne des Menschengeschlechts!«
Der Kaiser hatte seinen Sigambrern ein Zeichen gegeben. Die Sänfte hielt an. Auf den Sturm der Begrüßungsrufe, die Nero mit einer liebenswürdigen Handbewegung erwidert hatte, folgte lautlose Stille.
»Ein Unglücklicher!« wandte der junge Fürst sich zu Agrippina. »Du erlaubst, teure Mutter, daß ich die Stadtsoldaten befrage, was er verbrochen hat?«
»Ganz, wie du willst,« versetzte die Kaiserin-Mutter. »Dem Herrscher des Weltreichs steht es unzweifelhaft wohl an, sich um alles, auch um das Kleinste zu kümmern, was ihm den Weg kreuzt.«
»Um das Kleinste?« lächelte Nero, der Mutter ins Auge blickend. »Ein kettenbeladener Mensch, dem das Weh und der Jammer im Antlitz geschrieben steht . . . Nein, teure Mutter, das redest du neben dem Herzen her! Oder verlangt es die Würde des Imperators, das Unglück der Staatsangehörigen leicht zu nehmen, – leicht wie das Mißgeschick dieser pästischen Rose, die deinem schönen Gelock zu entgleiten droht?«
Mit anmutsvoller Gebärde schob er den Stengel der sinkenden Blume unter das strahlende Diadem, das Agrippinas flammfarbigen Schleier hielt.
Dann, zu dem Obersoldaten gekehrt, fragte er wohlwollend: »Wen haltet ihr da und worin besteht sein Verbrechen?«
»Herr,« sprach der Soldat, »es ist ein Freigelassener des Flavius Scevinus . . .«
»Wie? Unsres Freundes, des ewig jungen Senators?«
»Des nämlichen.«
Nero warf einen prüfenden Blick auf den jungen Mann, der unbeweglich die Augen zu Boden senkte.
»In der That, ich erkenne ihn . . . Artemidorus, der uns damals im Parke die Schriften des Ennius entrollte . . . Flavius Scevinus war deines Lobes so voll. Er pries deine Zuverlässigkeit, deine Klugheit. Und jetzt? Ich begreife das nicht!«
»Herr,« hub der Obersoldat wiederum an, »der Verurteilte leidet nach dem Gesetz. Ein Sklave hat ihn dabei überrascht, wie er die Hausgötter grimmig verhöhnte und zuletzt von den Sockeln warf.«
»Artemidorus,« wandte sich Nero an den Gefesselten, »ist das wahr?«
Blitzenden Auges hob der Gefragte sein schönes, bleiches Gesicht.
»Ja, Herr,« sprach er mit fester Stimme.
»Wußtest du,« fuhr der Kaiser mit ruhiger Strenge fort, »wußtest du, daß du mit diesem Angriff auf die Heiligtümer des Hauses ein todwürdiges Verbrechen begingst?«
»Todwürdig, im Sinn des Gesetzes, – ja!«
»Und was bewog dich, dieses Gesetz unter die Füße zu treten?«
»Die Liebe zur Wahrheit.«
»Wieso?«
»Eure Penaten und Laren sind falsche Götter: ich aber glaube an den wahrhaftigen Gott, den Jesus Christus gelehrt hat.«
»Du bist Nazarener?«
»Ja, Herr!«
»Ist das deinem erhabenen Schutzherrn Flavius Scevinus bekannt gewesen?«
»Ja, Herr!«
»Hat er dich jemals darum belästigt?«
»Nein, Herr!«
»Nun also! Glaub', was du willst, und laß die andern glauben, was
sie
wollen. Siehst du nicht ein, daß diese Forderung schlicht und gerecht ist?«
»Jesus Christus hat uns geboten, die Lehre des Heils weiter zu tragen und wider die feindlichen Truggötter anzukämpfen.«
»Sei's darum! Kämpfe, – aber kämpfe im Geist! Ueberzeugt man etwa mit der geballten Faust? Sind Schmähworte ein philosophisches Argument? In der That, du hast deine Strafe verdient, Artemidorus . . .«
Der Obersoldat machte ein sehr beklommenes Gesicht. Er hatte fast mit Bestimmtheit darauf gerechnet, Claudius Nero würde den Gang der Ereignisse durch einen Akt seiner kaiserlichen Machtvollkommenheit unterbrechen. Geschah dies, so mußte der Stadtpräfekt den Rebstock des Centurionen natürlich im Schrank lassen. Jetzt mit einemmal und gegen jedes Erwarten erklärte der Cäsar die Strafe, die selbst er, Pharax, und seine Mitsoldaten barbarisch und überlebt fanden, für billig und sachgemäß! Verdrießlicher Umschwung!
Acte inzwischen, dem Zeichen des Nicodemus gehorchend, hatte sich aus den Reihen des Volkes stürmisch hervorgedrängt. Dicht vor der Sänfte des Imperators warf sie sich knieend aufs Straßenpflaster. Voll unsäglichen Liebreizes hob sie ihr rosig blühendes Antlitz zu dem Herrscher des Weltreichs empor und hauchte mit einer Stimme, in welcher die ganze bestrickende Allgewalt mitfühlender Weiblichkeit zitterte: »Gnade, Herr! Gnade für meinen Bruder!«
Das Auge des jungen Kaisers weilte mit staunendem Wohlgefallen auf der schlanken Gestalt, die so inbrünstig zu ihm aufschaute. Selbst die
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