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027 - Im Tempel der schwarzen Chimäre

027 - Im Tempel der schwarzen Chimäre

Titel: 027 - Im Tempel der schwarzen Chimäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F.Morland
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Pater Severin war eine Seele von Mensch, wenngleich man ihm das nicht ansah. Ohne die Soutane hätte er eher wie ein Metzger ausgesehen. Er war groß, hatte die breiten Schultern eines Preisboxers, einen kräftigen Stiernacken, das Kinn glich einer Baggerschaufel, und die großen, gutmütigen braunen Augen quollen ein bißchen hervor, als wollten sie verhindern, daß ihnen irgend etwas, das auf der Welt passierte, entging.
    Der Priester war eine respekteinflößende Person. Man hatte Achtung vor ihm und beging so wenige Sünden wie möglich, um sie hinterher nicht beichten zu müssen, denn sonst konnte es in der stillen Kirche, in der Abgeschiedenheit des Beichtstuhls, zu einem Donnerwetter kommen, daß das Holz ächzte.
    Pater Severin war ein Seelenhirte von besonderem Format, wohl einmalig auf der Welt. Die größten Widersprüche vermochte er in seiner stattlichen Figur zu vereinen. Er war gutmütig und streng zugleich, verständnisvoll und streng, entgegenkommend und energisch, sanft und polternd, und manche seiner Predigten glichen Brandreden, unter denen sich die Gläubigen wie geprügelte Hunde duckten und die Kirche schuldbewußt und mit hängenden Köpfen verließen.
    Pater Severin wußte, was es heißt, arm zu sein.
    Zehn Kinder waren sie zu Hause gewesen. Die Mutter krank – sie hatte es auf der Lunge –, der Vater ein Invalide nach einem Arbeitsunfall. Der Vater bezog eine kleine Rente, zum Sterben zuviel, zum Leben zuwenig.
    Um sein Studium zu finanzieren, hatte Pater Severin jede Arbeit angenommen, die er kriegen konnte und die sich mit seinem Gewissen vereinbaren ließ. Das Leben hatte ihn schon früh hart und widerstandsfähig gemacht. Heute gab es kaum etwas, das ihn umwerfen konnte.
    Er hatte seine Gemeinde gut im Griff.
    Tanzte ein Schäfchen mal aus der Reihe, dann knöpfte er es sich vor und bog es sich entweder mit gestrengen Worten oder mit handgreiflichen Argumenten zurecht.
    Jawohl, auch davor schreckte Pater Severin nicht zurück. Es gab so manchen in seiner Gemeinde, der erzählen hätte können, was für eine schmerzhafte »Handschrift« Pater Severin hatte. Doch niemand nahm dem Priester die Ohrfeigen übel, die er bekommen hatte. Jeder sah ein, daß er sie zu seinem eigenen Wohl kassiert hatte.
    Jederzeit wäre Pater Severin für seine Gemeinde durchs Fegefeuer gegangen, ohne zu erwarten, daß die Leute dasselbe für ihn taten. Er stiftete Ehen, er brachte Eheleute, die sich im Zorn getrennt hatten, wieder zusammen, er sorgte dafür, daß einer den anderen nicht übers Ohr haute, und wenn es einen Streit gab, stellte er sich zwischen die Kontrahenten und schlichtete die Angelegenheit – entweder mit salbungsvollen Worten oder mit seinen klobigen Fäusten. Man konnte es sich aussuchen.
    Wie gesagt, seine Augen waren bestrebt, stets alles zu sehen, und doch entging ihnen so manches.
    Da war zum Beispiel die Sache mit dem Opferstock. Früher überzog sich bei seiner Leerung Pater Severins Gesicht immer mit einem zufriedenen, verklärten Lächeln.
    Seit einigen Wochen aber hatte der Priester keinen Grund mehr, zu lächeln, denn das bißchen Geld, das sich im Opferstock befand, war eine Schande, eine Beleidigung. Der Pater hatte das die Gemeinde auch wissen lassen. Er nahm niemals ein Blatt vor den Mund, und er wetterte lautstark von der Kanzel herunter: »Schämt ihr euch nicht? Was seid ihr denn für Christen? Wollt ihr, daß dieses Gotteshaus langsam verfällt? Ihr wißt, daß eure Spenden wichtig sind. Wir brauchen einen neuen Glockenturm. Daß der Baumeister nicht billig ist, weiß ich, aber er leistet gute Arbeit. Und das Dach! Habt ihr euch schon einmal das Dach eurer Kirche angesehen? Wollt ihr, daß es euch eines Tages auf den Kopf fällt? Soll es uns alle, während wir zu Gott, unserm Herrn, beten, erschlagen? Radio, Fernsehen, die Zeitungen rufen euch täglich auf, zu sparen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber fangt damit nicht bei Gott an. Trinkt ein Glas Bier oder Wein weniger, das würde so manchem von euch guttun…«
    Diejenigen, die sich betroffen fühlten, senkten verlegen den Blick.
    »Für euer Vergnügen reicht das Geld stets, nicht wahr?« rief Pater Severin mit donnernder Stimme. »Aber wenn ihr spenden sollt, dreht ihr jede Münze dreimal um, bevor ihr euch von ihr trennt. Ich nenne das Kind beim Namen, meine Brüder und Schwestern: Das ist schäbig, jawohl, schäbig, und nicht Gott, sondern ich nehme euch das übel. Laßt euch das durch den Kopf gehen, denkt

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