Neues Vom Räuber Hotzenplotz
daß ihr sie lebend wiederseht, wenn ihr das Geld bringt . . .«
»Eben!« rief Kasperl. »Und was man verspricht, muß man halten – auch wenn man ein Räuber ist!«
»Findest du?«
Hotzenplotz grinste. Dann kniff er das linke Auge zu, spannte den Hahn der Pfefferpistole und sagte:
»Natürlich werdet ihr Großmutter wiedersehen – aber als meine Gefangenen!«
Nun ging alles sehr schnell. Er hob die Pistole, er brüllte: »Umdrehen! Arme nach hinten! Rasch – oder muß ich nachhelfen?«
Kasperl und Seppel waren so verdattert, daß sie alles mit sich geschehen ließen. Hotzenplotz fesselte ihnen die Hände auf den Rücken und band sie an einen Kälberstrick.
»Vorwärts marsch!«
Die Blechkanne mit dem Lösegeld in der einen Hand und den Kälberstrick in der anderen, führte er Kasperl und Seppel davon, in den finsteren Wald hinein.
Wasti
Herr Dimpfelmoser hatte mit wachsendem Unmut beobachtet, wie sich die Dinge beim Alten Steinkreuz entwickelt hatten. Als er nun sehen mußte, wie Hotzenplotz Kasperl und Seppel gefangen wegführte, verlor er für einen Augenblick die Beherrschung.
»Dieser Schuft!« rief er »Dieser Schurke! Der Blitz soll ihm in die Knochen fahren!«
Dabei haute er mit der Faust auf den Tisch, daß die Kristallkugel auf dem Samtkissen einen Hupfer machte.
»Aber Herr Dimpfelmoser!«
Frau Schlotterbeck konnte das Unglück nicht mehr verhindern. Vor ihren Augen verdüsterte sich die Kugel. Es war, als ob schwarzer Rauch aus der Tiefe emporquirlte und das Bild verhüllte.
»Da haben wir die Bescherung!« Frau Schlotterbeck schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Wenn ich Sie nicht gewarnt hätte, würde ich ja nichts sagen, Sie Unglücksmensch! Wie konnten Sie bloß auf den Tisch hauen!«
»Tut mir leid«, brummte Oberwachtmeister Dimpfelmoser. »Was kann man dagegen machen, wenn einen der Zorn packt?«
Frau Schlotterbeck schlug die Kristallkugel in ein schwarzes Tuch ein und räumte sie weg.
»Für mich ist die Sache nicht weiter schlimm«, erklärte sie. »In ein bis zwei Tagen kann ich die Kugel wieder verwenden, das läßt sich abwarten. Aber für Sie! Wie wollen Sie nun herausfinden, wohin Hotzenplotz ihre Freunde verschleppt?«
Ach du liebe Zeit, daran hatte Herr Dimpfelmoser gar nicht gedacht! Ob Frau Schlotterbeck ihm da helfen konnte? Mit Kartenlegen zum Beispiel – oder mit Wahrsagen aus dem Kaffeesatz?
»Das alles könnte man selbstverständlich versuchen«, meinte sie. »Aber ich will Ihnen ehrlich sagen, daß ich nicht allzuviel davon halte. Ein Hund wäre weitaus besser für Sie – ganz entschieden!«
»Ein Hund?«
»Um ihn Hotzenplotz auf die Spur zu setzen.«
Herr Dimpfelmoser kratzte sich im Genick.
»Ihr Vorschlag hat manches für sich. Wie wäre es, wenn Sie mir – Wasti liehen? Das ginge am schnellsten, da brauchte ich nicht erst lange bei meinen Bekannten herumzufragen . . .«
»Wasti?« Frau Schlotterbeck tat einen kräftigen Zug an ihrer Zigarre. »Mit Wasti ist das so eine Sache, wissen Sie . . .«
»Ist er zu dumm für so was?«
»Im Gegenteil!«
»Oder zu furchtsam?«
»Da kennen Sie Wasti schlecht!«
»Ah, ich verstehe, er würde mir nicht gehorchen . . .«
Frau Schlotterbeck winkte ab.
»Sie haben noch gar nichts verstanden, Herr Dimpfelmoser – wie sollten Sie auch? Als Hund hat mein guter Wasti bloß einen einzigen Fehler. Kommen Sie bitte mit!«
Sie führte Herrn Dimpfelmoser zu Wastis Verschlag. Als Wasti sie kommen hörte, begann er zu winseln und mit den Pfoten am Holz zu kratzen.
»Erschrecken Sie nicht, wenn ich öffne – er tut Ihnen nichts.«
Frau Schlotterbeck schob den Riegel zurück. Mit lautem Freudengebell stürmte Wasti ins Freie und sprang an ihr hoch.
Herr Dimpfelmoser wich ein paar Schritte zurück und faßte sich ah den Kragen.
»Aber – das ist ja ein Krokodil!« rief er fassungslos.
»Eben nicht!« berichtigte ihn Frau Schlotterbeck. »Wasti sieht nur so aus wie ein Krokodil; in Wirklichkeit ist er ein echter Dackel. Meinen Sie, daß ich sonst Hundesteuer für ihn bezahlen würde?«
Tatsächlich trug Wasti ein Halsband mit einer Hundemarke.
»Trotzdem!« sagte Herr Dimpfelmoser. »Das Äußere Ihres – hm – Hundes befremdet mich außerordentlich.«
Frau Schlotterbeck zupfte verlegen an ihrem Wolltuch.
»Ich will Ihnen nicht verheimlichen«, sagte sie, »daß ich in jungen Jahren neben der Hellseherei auch ein wenig hexen gelernt habe. Und ich gestehe ganz offen, daß es mir großen Spaß
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