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Nibelungen 02 - Das Drachenlied

Titel: Nibelungen 02 - Das Drachenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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Verfolgern«, erzählte sie, und die Besinnung auf Vergangenes ließ ihre Augen leuchten. »Ich führte meine Leute in eine Höhle, wo unsere Feinde uns nicht finden konnten. Nachdem sie vorübergezogen waren, stürmten wir hinaus und überfielen sie von hinten. Keiner von ihnen hat überlebt.«
    »Wie ehrenvoll«, bemerkte Alberich bissig.
    »Wir waren Räuber, mein Freund«, entgegnete Mütterchen ruhig. Die Erinnerung stimmte sie sanftmütig. An einem neuerlichen Wortgeplänkel lag ihr nichts. »Aber ich sage euch, diese Felsen eignen sich besser als Versteck als jeder andere Ort, den ich kenne.«
    »Und zum Hinterhalt«, sagte Löwenzahn.
    Bald schon wurde der Boden noch unwegsamer, und sie standen vor der Entscheidung, die Felswände hinaufzuklettern und das Pony zurückzulassen oder aber einen Pfad zu suchen, der, so es hier wirklich Wegelagerer gab, von diesen überwacht wurde.
    Mütterchens Fürsprache war es zu verdanken, daß sie sich für die zweite Möglichkeit entschieden, denn die Räuberin achtete das Tier mehr und mehr als gleichwertiges Mitglied ihrer Gruppe. Mochten die anderen darüber lachen und schimpfen, sie aber stand zu Rohland, als sei er ihr teuerster Freund.
    Sie wandten sich nach Westen in Richtung des Flußufers, und tatsächlich stießen sie schon bald auf einen Hohlweg, der sich zwischen hohen Felswänden und vornübergebeugten Bäumen hinauf zu den Gipfeln schlängelte.
    »Es ist ein Fehler«, murmelte Alberich immer wieder zu sich selbst, »ein schlimmer Fehler.«
    Zu ihrer Überraschung aber stellte sich ihnen niemand in den Weg, der Landstrich schien vollkommen menschenleer. Der Pfad endete in einem höhergelegenen Waldstück, wo sie ihren Weg aufgrund des besseren Geländes frei wählen konnten. Sie schlugen sich links ins Unterholz – sie wollten das Schicksal nicht gar zu offen herausfordern – und stiegen im Verborgenen weiter nach oben.
    Plötzlich hielt Alberich inne, kniff die Augen zusammen und starrte angestrengt zu den Felstürmen empor.
    »Seht, da sind Männer!« flüsterte er.
    Ihre Blicke folgten seiner ausgestreckten Hand, und tatsächlich, da waren sie. Mindestens ein halbes Dutzend Krieger, auf dem oberen Felskamm verteilt. Gegen das Glutrot der untergehenden Sonne waren sie nicht mehr als schwarze Scherenschnitte, mit mächtigen Helmen und Brustharnischen, gestützt auf Hellebarden und Schwerter. Ihre weiten Umhänge flatterten im Abendwind, der flüsternd um die Felsklüfte strich.
    »Da sind noch mehr«, sagte Löwenzahn leise und zeigte nach rechts und links. Die gesamte Felsenkette wurde von einer langen Reihe von Kriegern bewacht. Von den unteren Hängen aus waren sie nicht zu erkennen gewesen, nur ein paar weitere Erhebungen in der Schroffheit der Felsen; jetzt aber, von nahem, gab es keinen Zweifel, daß das gesamte Gelände streng bewacht wurde.
    So leise wie möglich schlichen die Gefährten näher. Mütterchen schärfte dem Pony flüsternd ein, keinen Ton von sich zu geben, und Rohland hielt sich daran. Sogar seine Hufe verursachten kaum einen Laut. Alberich mußte sich eingestehen, daß Mütterchens Einfluß auf das Tier erstaunlich war.
    Die Felswände der oberen Gipfel stiegen steil wie Burgmauern nach oben. Strickleitern und natürliche Treppenformationen erlaubten den Kriegern, auf ihre Aussichtsposten zu steigen. Sie würden eine Weile brauchen, um wieder nach unten zu klettern. Das mochte es den Gefährten ermöglichen, unbescholten über den Paß zu gelangen.
    »Fällt euch etwas auf?« raunte Alberich plötzlich. Er besaß, trotz seines Alters, von allen die schärfsten Augen.
    Die beiden anderen blieben stehen. Angestrengt blickten sie auf zu den Umrissen der Wächter.
    »Was soll uns auffallen?« fragte Mütterchen unwirsch. Sie wollte so schnell wie möglich von hier verschwinden und hatte keinen Sinn fürs Rätselraten.
    Alberich grinste. »Sie blicken in die andere Richtung«, sagte er.
    Noch einmal blinzelten Löwenzahn und Mütterchen nach oben. Sie sahen nichts als schwarze Formen, ohne Tiefe, ohne Gesicht.
    »Tun sie das?« fragte Löwenzahn schwerfällig.
    »Ja, Schwachkopf«, gab Alberich zurück, stolz auf seine Entdeckung. »Sie bewachen die andere Seite der Felsen, nicht diese hier.«
    »Das kann zweierlei bedeuten«, folgerte Mütterchen schnell. »Entweder befinden wir uns bereits mitten in dem Gebiet, das sie vor Gegnern beschützen wollen; dann aber hätten wir bereits vorher auf Wächter stoßen müssen, die Reisende aus der

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