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Nibelungen 02 - Das Drachenlied

Titel: Nibelungen 02 - Das Drachenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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jetzt nicht, stand immer noch mit hochgestreckten Armen da wie eine weißbandagierte Vogelscheuche. Der Zwerg konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der Geist sich viel mehr vor ihm fürchtete als umgekehrt.
    »Bist du uns den ganzen Weg gefolgt?« fragte Alberich halb verwirrt, halb ärgerlich.
    Noch immer kam keine Antwort.
    Alberich seufzte. »Nun nimm schon die Arme runter und komm her«, verlangte er mürrisch. Er erinnerte sich, daß Obbo Stein und Bein geschworen hatte, daß der Geist niemandem Böses wollte. Dein Wort in der Albenväter Ohr, dachte Alberich.
    Der Geist senkte zögerlich die Hände und kam langsam durchs Gebüsch auf ihn zu. Dabei verhedderten sich seine Tücher und Verbände bei jedem Schritt in Dornen und Ästen, und es dauerte eine Weile, bis er zwei Mannslängen (oder vier Zwerglängen) vor Alberich stehenblieb.
    »Was willst du hier, Geist?« fragte Alberich, der nur an die wertvolle Zeit denken konnte, die er unnütz vertat.
    »Ich bin kein Geist«, drang es leise unter den Binden hervor. Es war das erste Mal, daß irgendwer das Wesen sprechen hörte. Seine Stimme klang ungewöhnlich sanft, fast traurig.
    Alberichs linke Augenbraue rückte mißtrauisch nach oben. »Kein Geist? Aber du siehst aus wie einer.«
    »Ich bin ein Mensch wie du«, erwiderte die Gestalt sehr scheu, nicht ahnend, daß dies das Schlimmste war, was sie hätte sagen können.
    »Ein Mensch wie ich?« wiederholte Alberich fassungslos. »Ein Mensch? Sehe ich etwa so aus?«
    Der Geist, der keiner sein wollte, nickte zaghaft. »Ein kleiner Mensch, sehr klein.«
    Alberichs Faust krampfte sich um den Griff der Goldgeißel. »Hast du nie vom stolzen Volk der Zwerge sprechen hören?« fragte er unter Aufbietung aller Geduld.
    Das Wesen schüttelte den Kopf. Dabei spiegelte sich das Mondlicht einen Herzschlag lang in klaren blauen Augen. »Niemand spricht mit mir, schon lange, lange Zeit nicht mehr. Also bist du kein Mensch?«
    »Nein«, gab Alberich dumpf zurück. »Aber sag mir endlich, warum du mir folgst. Ich habe keine Zeit für Mätzchen.«
    Der Geist verschränkte schüchtern die Hände hinterm Rücken und trat aufgeregt von einem Bein aufs andere. »Ich hab’ gehört, über was ihr im Wirtshaus gesprochen habt.« Alberich war plötzlich sicher, daß das Wesen mit weiblicher Stimme sprach.
    »Und?«
    »Die alte Frau sagte, das Blut, das ihr sucht, kann Krankheiten heilen.«
    »Bist du denn krank?« fragte Alberich scharf. Liebe Güte, ging denn das alles nicht ein wenig schneller?
    »Sehr krank«, sagte das Wesen traurig. »Deshalb glauben alle, ich sei ein Geist. Wegen der Verbände. Aber ich kann sie nicht abnehmen.«
    Mußt ja ein häßlicher Vogel sein, dachte Alberich säuerlich. »Welche Krankheit hast du?«
    »Lepra.«
    Alberich kreischte voller Grauen auf und machte mehrere Sätze nach hinten. »Lepra?« rief er entsetzt. »Du hast mich fast berührt, so nah bist du herangekommen!«
    »Du hast es verlangt«, gab der Geist zurück.
    »Ich wußte nicht… ich meine, ich…«, stammelte Alberich, ehe er sich mühsam zur Ruhe rief. »Ach, was!« sagte er plötzlich. »Du kannst gar keine Lepra haben. Niemand, der die Seuche hat, hätte uns drei Tage lang verfolgen können. Du wirkst ja nicht einmal erschöpft.«
    »Und doch habe ich Lepra!« entgegnete der weibliche Geist beinah trotzig.
    Alberichs Zweifel mehrten sich. »Du scheinst auch noch alle Glieder zu haben«, meinte er argwöhnisch und begutachtete aus der Ferne den bandagierten Leib.
    »Sie fallen ab, sobald ich die Binden löse.«
    »Das würde ich gerne sehen.«
    »Du bist herzlos, kleiner Mann.«
    »Und du eine Betrügerin.«
    »Ich bin krank«, beharrte sie. »Und wenn es wahr ist, was die alte Frau gesagt hat, dann kann nur das Drachenblut mich heilen.«
    »Du meinst Mütterchen?«
    »Sie hat gesagt, das Blut kuriert Krankheiten.«
    »Nun denn«, sagte Alberich, »ich wünsche dir Glück bei deiner Suche.« Er war jetzt vollkommen sicher, daß keine Gefahr einer Ansteckung bestand. Fast vollkommen sicher. Er drehte sich um und trat zwischen die Fichtenstämme.
    »Darf ich nicht mit dir gehen?« fragte der falsche Geist.
    »Damit ich mich anstecke?« rief der Zwerg zurück, ohne sich umzusehen.
    »Nein«, gab sie zurück, »damit du dich nicht verirrst.«
    »Ich verirre mich nie.«
    »Dann hat mich der Eindruck wohl getrogen.«
    »Das hat er, in der Tat«, sagte er finster. Er konnte jetzt kaum noch hören, was sie mit ihrem hellen Stimmchen

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