0188 - 7 Uhr - die Stunde des Todes
Die Frau ließ sich erschöpft auf die Couch fallen. Sie warf den Oberkörper nach vorn, bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und brach in krampfartiges Weinen aus. Mr. Randall setzte sich neben sie und versuchte ein wenig linkisch, sie zu trösten. Er spürte selbst, daß es leere Worte waren, die er sprach.
Man könnte natürlich die Polizei benachrichtigen, dachte er. Das wäre vielleicht noch das Vernünftigste. Aber wenn ich jetzt was von der Polizei sage, wird Juanita völlig verrückt. Frauen denken ja immer gleich das Schlimmste.
Er stand auf. »Ich fahre mal langsam um den Block und dann ein bißchen die Straßen ab«, meinte er und gab sich Mühe, es in einem zuversichtlichen Ton zu sagen. »An deiner Stelle würde ich ein Beruhigungsmittel nehmen und mich ein bißchen auf der Couch ausruhen. Du wirst sehen, daß die ganze Aufregung umsonst ist.«
Juanita Randall fuhr in die Höhe. Ihre Augen funkelten aufgebracht. Trotz ihrer 46 Jahre sah sie noch immer sehr hübsch aus. Daß sie ein Mischling war, konnte man kaum vermuten. Sie hatte kein gekräuseltes Haar, ihre Haut war so hell wie mazedonischer Tabak, was ebensogut das Ergebnis häufigen Aufenthalts in der Sonne sein konnte. Nur, wenn man ganz genau hinsah, entdeckte man, daß ihre Nase eine Spur zu breit und eine Idee zu platt war. Aber das erhöhte eigentlich nur den Reiz ihres aparten Gesichts. Die dunklen Augen blitzten zornig und temperamentvoll.
»Ich soll mich auf die Couch legen und schlafen? Sag mal, George, begreifst du denn nicht, daß etwas passiert sein muß?«
»Nun, nun«, brummte George Randall besänftigend, während er in sein Jackett schlüpfte, »das ist nur eine Vermutung von dir. Bestimmt stellt sich hinterher heraus, daß es eine ganz simple Erklärung dafür gibt. Wie gesagt, ich werde mal um den Block fahren. Du mußt hierbleiben falls er inzwischen kommen sollte.«
»Ach so«, murmelte die Frau. »Ja, das ist wahr. Obgleich ich lieber mitfahren würde.«
»Sorge dich nicht!« sagte Mr. Randall und ging durch die offenstehende Tür in den Flur hinaus zum Garderobenhaken, wo er seinen Hut nahm. »In einer halben Stunde bin ich wieder zurück.«
Die Frau nickte. Sie stand blaß in der Mitte des Wohnzimmers und zerrte nervös an den schlanken Fingern. Es ist zum Wahnsinnigwerden, dachte sie.
Sie sah, wie die Tür hinter ihm ins Schloß fiel, und erschrak über den Lärm, der dabei entstand. Es war aber auch zu still in ihrem Haus. Beinahe totenstill, dachte sie. Gleich darauf fuhr sie zusammen. Um Himmels willen! Mußte sie denn so furchtbare Worte denken? Totenstill…!
Sie stand eine ganze Weile reglos in dem großen Raum. Sie horchte auf jedes Geräusch. Manchmal knackte es in den Holzwänden des Hauses. Sie hatte es noch nie gehört, obgleich sie nun schon fast zehn Jahre in diesem Haus wohnten.
Unruhig fing sie an, hin und her zu gehen. Einmal blieb ihr beinahe das Herz stehen vor Erwartung, Spannung und Aufregung, als draußen auf der Straße Reifen quietschten und Wagentüren schlugen. Aber dann hörte sie das meckernde Kichern der Nachbarin, und mit einem Schlag war jede Hoffnung wieder zerstört. Es waren nur die Bleabs, die wieder von irgendeiner Party nach Hause kamen. Sie waren ja jeden Abend unterwegs. Der Himmel mochte wissen, wie sie das anstellten! Ohne je selber eine Party zu veranstalten, wurden sie dauernd eingeladen.
Juanita Randall drückte abwesend den Knopf des Plattenspielers. Die abgehackten Klänge einer Jazzband ertönten und stürmten auf sie ein. Sie lief in die Küche, zog die Schublade auf und nahm das Röhrchen mit den schmerzstillenden Tabletten heraus. Ihr Kopf tat weh, aber es waren Schmerzen, die sich durch den ganzen Körper zu ziehen schienen. Mit einem Schluck Fruchtsaft aus dem Kühlschrank spülte sie die Tablette hinunter.
Wie immer fühlte sie sofort Erleichterung. Wenn man an die Tabletten glaubt, setzt die Wirkung in der Einbildung ein, bevor sie tatsächlich auftreten kann. Plötzlich fürchtete sie, daß sie das Klingeln überhören könnte, wenn sie den Plattenspieler weiter lärmen ließ. Als könne ein Sekundenbruchteil entscheiden, lief sie ins Wohnzimmer zurück und schaltete das Gerät wieder aus. Augenblicklich umfing sie wieder die Stille, die nach dem Lärm der Musik noch bedrückender war.
Mrs. Randall ließ sich in einen Sessel sinken, von dem aus sie in den Vorraum und auf die Haustür blicken konnte. So saß sie regungslos, blaß und erschöpft in sich
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