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Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin

Titel: Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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fragte statt dessen: »Was verschlägt ein Mädchen wie dich in diese Gegend?« Er senkte seine Stimme ein wenig. »Weißt du nicht, daß hier die –«
    »Die Pest wütet?« ergänzte sie. »O doch.«
    »Fürchtest du dich nicht davor?«
    »Nicht mehr als du.«
    »Ich mache mir fast in die Hosen vor Angst.«
    »Welch bezaubernde Vorstellung.«
    »Was hast du hier zu suchen? Bist du auf der Flucht?«
    »Ich will nach Osten.«
    »Aber alle Flüchtlinge ziehen in westliche Richtung.«
    »Dann bedeutet das wohl, daß ich kein Flüchtling bin, nicht wahr?«
    »Wer war der andere Mann, der Tote?«
    Jodokus hob die Schultern. »Jemand aus dem Dorf, nehme ich an. Sie wollten wohl, daß ich mich bei ihm anstecke.« Er rückte am Baumstamm zu ihr herum, bis sich ihre Schultern fast berührten. Eingehend betrachtete er ihr feines Profil. »Du bist zu schön für eine einfache Herumtreiberin. Deine Haut ist zu glatt und ebenmäßig. Du hast nie in deinem Leben mit den Händen gearbeitet, deine Finger sind zu zart und unversehrt. Du stammst aus gutem Hause. Laß mich raten: Eine Ausreißerin, stimmt’s?«
    Sie war überrascht und auch ein wenig besorgt. Wenn er sie so mühelos durchschaute, würde das wahrscheinlich jedem anderen genauso gelingen. »Kann schon sein«, erwiderte sie vage, weil sie ahnte, daß es wenig Sinn hatte, ihn zu belügen. »Da du anscheinend alles über mich weißt, ist es jetzt wohl an dir, etwas über dich zu erzählen.«
    »Ich hab nur geraten. Versuch du es doch auch.«
    Sie beugte sich vor und schaute ihn über die Schulter hinweg an. Sie hatte angenommen, daß er sie nur necken wollte, doch jetzt erkannte sie den Ernst in seinen Zügen. »Gut«, meinte sie widerwillig, wenn auch nicht vollkommen abgeneigt. »Du bist Sänger, hast du gesagt. Wahrscheinlich ein schlechter, sonst wärest du nicht hier, sondern bei Hofe oder in einer Stadt. Außerdem hast du kein Instrument dabei.«
    »Die Leute am Fluß haben es mir abgenommen.«
    »Wollten sie dich deshalb töten?« fragte sie verschmitzt. »Weil dein Gesang so grauenvoll war?«
    Sie fürchtete einen Moment lang, das sei eine Spitze zuviel gewesen, doch dann grinste er breit. »Mag schon sein, daß ihnen mein Gesang mißfallen hätte. Aber soweit ist es gar nicht erst gekommen. Sie haben mich vom Pferd gezerrt, als ich durch ihr Dorf ritt, und dann schleppten sie mich gleich zu dieser Stelle am Ufer. Hier ist er tiefer als anderswo, glaube ich.«
    »Dann muß ihnen einiges daran gelegen haben, daß du auch wirklich ersäufst.«
    »Sieh an, sieh an: Die kleine Prinzessin spricht wie eine Räuberbraut.«
    Bei der Anrede »Prinzessin« zuckte sie zusammen. Eine Redensart, nichts sonst. Sie fragte sich, ob er ihre heftige Reaktion bemerkt hatte. Falls ja, so zeigte er es nicht.
    »Und du behauptest, du wüßtest wirklich nicht, warum sie es auf dich abgesehen hatten?«
    »Genausowenig wie du.«
    So kamen sie nicht weiter. Vorerst saßen sie gemeinsam in diesem Schlamassel. Lavendel wartete auf der anderen Seite des Flusses, und obgleich es Kriemhild traurig stimmte, die Stute zurückzulassen, war das Wagnis, die Furt zu benutzen, viel zu groß. Andererseits: Wie sollte sie ohne Pferd ihr Ziel erreichen, bevor die Plage nach Worms vorrückte?
    Als er sah, daß sie plötzlich Verzweiflung überkam, ergriff er zögernd ihre Hand. »Du hast es eilig, nicht wahr?«
    »Ich…«, begann sie zögernd, sagte dann aber nur: »Ja. Ich muß nach Osten, und zwar so schnell wie möglich.« Warum hätte sie das leugnen sollen? »Mein Pferd ist am anderen Ufer, und ohne es…«
    Er drückte ihre Hand, um sie aufzumuntern, aber sie zog ihre Finger geschwind zurück.
    »Wir besorgen dir ein neues«, sagte er, um ihr Mut zu machen. »Und mir auch. Wenn du willst, reiten wir zu zweit, wo immer du auch hinwillst.«
    »Du willst mitkommen?« Sie lachte auf, aber es war ein bitterer, verletzender Laut. »Ich kenne dich ja nicht einmal.«
    »Du wirst mich schon kennenlernen.«
    »Wenn du mich anrührst –«
    »Niemals. Versprochen!«
    Sie suchte in seinen Augen nach einem Hinweis, ob er das ernst meinte. »Ich weiß nicht, ob ich dir trauen kann.«
    »Natürlich weißt du das nicht. Aber wer sagt mir denn, ob ich dir trauen kann?«
    »Ich werde wohl kaum bei Nacht über dich herfallen, dessen sei versichert.«
    Strahlend sprang er auf. »Dann brauchen wir voreinander ja keine Angst zu haben. Komm, laß uns aufbrechen. In den Wäldern laufen eine ganze Menge Pferde herum. Sie

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