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Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin

Titel: Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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Hals bei dem Versuch, sie anzusehen. Vergeblich. Die Fesseln saßen zu eng, und beide keuchten schmerzerfüllt auf.
    »Bleib gefälligst ruhig liegen!« fauchte Kriemhild ihn an. »Oder willst du uns beide erdrosseln?«
    Ihre Kratzbürstigkeit verwirrte ihn. »Hab ich dich vorher schon mal gesehen?«
    »Du siehst mich ja nicht einmal jetzt!« Mittlerweile hatte sie ihre Sinne so weit beieinander, daß sie vorsichtiger wurde. Niemand durfte erfahren, wer sie wahr. Zu leicht konnte sie Spitzbuben in die Hände fallen, die sich ein schönes Lösegeld für sie ausrechnen mochten. »Warte«, sagte sie dann, als sie sich an den verbliebenen Dolch in ihrem Stiefel erinnerte; den anderen hatte sie beim Gerangel mit der aufgebrachten Meute verloren. »Ich will versuchen –«
    Beide stöhnten vor Schmerz, als Kriemhild das Bein anzog und mit den Fingern nach dem Stiefelschaft tastete. Die Seile schnürten ihnen Brust und Bauch ab.
    »Ich hab ihn!« preßte sie schließlich triumphierend hervor. Als er nicht reagierte, fragte sie: »He, lebst du noch?«
    »Nein.«
    Das Abendrot brach sich auf der blanken Dolchklinge, als Kriemhild vorsichtig die Seile über ihrem Oberkörper durchtrennte. Augenblicke später waren sie frei, rollten voneinander fort und blieben erschöpft auf dem Bauch im seichten Wasser liegen.
    Als Kriemhild zu dem Jungen hinüberschaute, bemerkte sie, daß er sie eingehend musterte.
    »Was glotzt du so?« zischte sie empört.
    »Wenn du mir schon deinen Namen nicht verrätst, muß ich mir wenigstens merken, wie du aussiehst, meinst du nicht?«
    »Hast du mir denn deinen verraten?«
    »Jodokus.« Und nach einer Pause setzte er hinzu: »Jodokus der Sänger.«
    »Was für ein Name ist das?« entfuhr es ihr amüsiert.
    Seine Augenbrauen stellten sich schräg. »Hast du einen besseren?« fragte er gereizt.
    »Fine«, sagte sie zögernd. Das war der Name einer ihrer Kammerzofen, und der einzige, der ihr ohne nachzudenken einfiel. »Ich heiße Fine.«
    Einen Moment lang war da etwas wie Mißtrauen im Blick seiner braunen Augen, dann aber rappelte er sich auf alle viere hoch. »Gut, Fine. Ich schätze, du hast mir das Leben gerettet.« Zweifelnd fügte er hinzu: »Irgendwie, zumindest.«
    Auch Kriemhild setzte sich im Schlamm auf, taumelte dann auf die Füße. »Ich hab’s nicht gern getan, das darfst du mir glauben.«
    »Wie liebenswürdig.«
    Sie schenkte ihm ein giftiges Lächeln und schob sich die feuchten Strähnen ihres Goldhaars aus dem Gesicht.
    Wieder starrte er sie eingehend an. Ihr nasses Hemd klebte durchscheinend an ihren Brüsten. Als sie es bemerkte, raffte sie zornig ihre Weste zurecht.
    Jodokus wurde rot und lachte leise, sagte aber nichts.
    Kriemhild schaute sich um. »Wir sind am anderen Ufer, oder?«
    »Ansonsten hätten sie uns längst wieder eingefangen.«
    »Dann sind wir hier sicher?«
    »Nicht lange, fürchte ich. Das Dorf dieser Leute liegt an der einzigen Furt weit und breit, ein wenig weiter nördlich. Kann sein, daß sie uns über den Fluß folgen werden.«
    Kriemhild suchte das andere Ufer ab, konnte aber weit und breit keinen Fackelzug erkennen. »Warum wollten sie dich überhaupt umbringen?«
    »Aus dem gleichen Grund wie dich.«
    »Der da wäre?«
    »Sie sind verrückt. Schlicht und einfach.«
    Kriemhild musterte ihn abschätzend, während sich beide ins Trockene schleppten. »Wer sagt mir, daß du kein gesuchter Verbrecher bist? Ein Mörder, vielleicht. Möglicherweise hatten sie ja recht mit dem, was sie vorhatten.« In Wahrheit aber glaubte sie nicht daran. Jodokus entsprach nicht gerade dem Bild jener Mordbuben, die sie während der Hinrichtungen bei Hofe zu Gesicht bekommen hatte. Abgesehen von dem leichten Buckel auf seinem Rücken, war er eigentlich recht ansehnlich, sogar jetzt noch, da das Wasser aus seiner Kleidung triefte. Tropfen glitzerten wie Diamanten in seinem kurzgeschorenen Haar, und das schalkhafte Blitzen in seinen Augen war frech und anziehend zugleich. Kriemhild schätzte ihn grob auf siebzehn Jahre, nicht viel älter als sie selbst. Eine kleine Narbe zog sich von seinem linken Mundwinkel Richtung Wange, als hätte jemand versucht, ihm ein bleibendes Lächeln zu verpassen.
    »Du glaubst also, ich bin ein Halunke, ja?« fragte er, als sie sich matt gegen einen Baumstamm lehnten und in entgegengesetzte Richtungen blickten.
    Kriemhild unterdrückte ein Lächeln. »Sagen wir, der Gedanke liegt mir nicht allzu fern.«
    Er verzichtete, näher darauf einzugehen, und

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