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Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin

Titel: Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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erfüllt, und Jodokus erkannte sogleich, daß allein seine Worte die Ursache der Verfinsterung waren.
    »Geh aus dem Weg!« verlangte Hagen.
    Jodokus sah sich hektisch nach allen Seiten um. »Aber, Herr, wohin soll ich gehen. Ihr seht doch, daß nirgendwo ein Durchkommen ist in diesem furchtbaren Wald.«
    »Wenn du im Ganzen nicht durch die Sträucher paßt, werde ich dich wohl oder übel in Stücke schneiden müssen.« Und schon legte der Krieger die Hand auf den Schwertgriff.
    »Nein, nein!« rief Jodokus hastig aus. »Gewiß werden wir eine Lösung finden.«
    »Wir sollten sie schnell finden, sonst ist die Prinzessin verloren.«
    »Verloren, Herr? Ich weiß, daß Berenike einen schlechten Ruf hat, aber gewiß ist sie nicht so –«
    »Berenike?« Hagens Auge blitzte zornig. »Es geht nicht um Berenike. Und nun mach endlich Platz!«
    Nicht um Berenike? Jodokus legte verwundert den Kopf schräg. »Ich… ich könnte mit dem Pferd rückwärts gehen, Herr. Ich richte mich gerne nach Eurer Richtung.«
    »Dann tu es schnell.«
    Jodokus trieb den Schimmel dazu, rückwärts zu laufen, was Lavendel augenscheinlich wenig Freude bereitete. Dennoch gehorchte er, und Jodokus kam sich äußerst armselig vor, als er so vor Hagen, seinem Pferd und dem grinsenden Jungen zurückwich.
    »Sagt, Herr«, bat Jodokus, während sie in solch wundersamer Reihe bergauf marschierten, »was habt ihr damit gemeint, daß es nicht um –«
    »Schweig!« verlangte Hagen und zeigte damit einmal mehr seine schlechte Angewohnheit, anderen das Wort abzuschneiden.
    »Aber, Herr«, sagte Jodokus beharrlich, »wie sollen wir die Prinzessin retten, wenn ich nicht weiß, gegen welchen Feind es geht?«
    »Mag sein, daß ich dich am Leben lasse, Sänger«, knurrte Hagen, »doch jene anderen werden weniger großmütig sein.«
    »Und wer sind diese anderen?«
    Hagen schwieg, doch statt seiner gab der Junge eine Antwort.
    Es muß dem Kleinen gut gefallen haben, mitanzusehen, wie Jodokus’ Kinnlade bis zur Brust hinabsackte und alle Farbe aus seinen Zügen wich, als wäre er mit den Füßen ins Eis eines Wintersees eingebrochen.
     

Kapitel 6  
    riemhild war jung, aber sie war auch die Schwester des Königs, und so hatte man sie auf manches vorbereitet, das einem Fräulein ihres Standes zustoßen mochte. Sie konnte recht gut mit dem Dolch und leidlich mit einem Schwert umgehen (wenn auch nicht gut genug, um einen der Hunnen damit zu beeindrucken). Sie war eingewiesen in die Regeln der Politik und Diplomatie, und sie wußte, wie sie sich im Fall einer Begegnung mit Feinden des Reiches zu verhalten hatte. Niemals nachgeben, hatte man sie gelehrt, immer burgundischen Stolz und königliche Kühnheit zeigen. Man hatte sie sogar mit der furchtbarsten aller Möglichkeiten, einer Schändung durch gegnerische Krieger, vertraut gemacht, indem man ihr Frauen vorstellte, die solche Schrecken durchgemacht hatten und ihr von ihren Erlebnissen berichteten. Kurzum, Kriemhild wußte, was sie in den Klauen der Hunnen zu erwarten hatte.
    Worauf sie jedoch niemand vorbereitet hatte, das war Etzels ausgesuchte Höflichkeit.
    Der Hunnenprinz schien sich in vorzüglichem Benehmen übertreffen zu wollen, beinahe, als sähe er in Kriemhild einen hochgestellten Gast, keine Gefangene. Doch auch seine tadellose Oberfläche hatte den einen oder anderen Riß, und so litt jede Geste, jedes Wort, gar jeder Blick am Beigeschmack des Einstudierten. Etzel mochte ernst meinen, was er sagte, aber auf Kriemhild wirkte es wie die Darbietung eines talentierten Gauklers, der für eine Weile sein wahres Wesen abstreifte und in die Haut eines anderen schlüpfte. Und ganz gleich, wieviel Mühe der Prinz sich geben mochte, so war ihm doch die Haut eines Edlen von burgundischem Zuschnitt um einiges zu groß. Das wenigstens war es, was Kriemhild empfand, besser: empfinden wollte. Denn nach einer Weile an Etzels Seite konnte sie eine gewissen Achtung vor seinen Bemühungen nicht leugnen, und ihre Furcht, die sie so mühsam zu überspielen suchte, legte sich ein wenig.
    Etzel stieg mit ihr eine Treppe zum Wehrgang der Ummauerung hinauf, als sie fragte: »Ihr wißt, wer ich bin, Prinz, und dennoch gebt Ihr Euch alle Mühe, mir gefällig zu sein. Wie könnt Ihr das erklären?«
    Die Leibgarde des Prinzen war auf seinen Befehl hin im Hof zurückgeblieben. Er wandte sich auf der Treppe zu Kriemhild um und sagte: »Man muß Euch wenig Vorteilhaftes über mein Volk gelehrt haben, wenn Eure Erwartungen so

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