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Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin

Titel: Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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barbarisch sind. Was, glaubt Ihr, sollte ich einer Gefangenen wie Euch wohl antun?«
    »Sicher ist es nicht nötig, Euch dazu eine Anleitung zu geben, Prinz.«
    Er lächelte, aber es wirkte nicht allzu vergnügt. »Meine Krieger sind ebensolche Männer wie die Euren daheim in Worms, mit den gleichen Gelüsten, der gleichen Liebe zu ihrer Heimat und oft auch der gleichen Grausamkeit. Was immer man Euch über Heldentaten im Krieg erzählt hat, Prinzessin, vergeßt es am besten wieder, bis Ihr selbst erlebt habt, was Haß und der Tod geliebter Menschen aus einem Mann zu machen vermögen. Plünderung, Schändung, Folter – all das sind Dinge, derer sich Eure Kämpfer genauso schuldig machen wie die meinen. Ich kann Euch versichern, daß der Ruf der burgundischen Krieger bei mir zu Hause nicht freundlicher ist als der unsere bei Euch.«
    Kriemhild rümpfte die Nase. Über ihre Lippen kam eine auswendiggelernte Formel, nicht das, was sie wirklich empfand: »Die Ritter des Burgundenreichs sind weithin für ihre Ehre bekannt, Prinz Etzel. Was man von den Euren nicht gerade behaupten kann.«
    Zu ihrer Überraschung zeigte er kein Zeichen von Zorn. »Ihr sprecht so, weil Ihr uns nicht kennt. Wir dagegen wissen fast alles über Euch. Verratet mir, zum Beispiel, ob Ihr je zuvor meinen Namen gehört habt.«
    »Nein«, gestand sie.
    »Seht Ihr«, erwiderte er zufrieden. »Ich bin Euch unbekannt, während Ihr für mich wie eine Verwandte seid. Schon bevor ich Euch traf, kannte ich Euer Aussehen, Eure Wildheit, Eure zänkische Art.«
    Kriemhild riß erbost die Augen auf, zog es aber vor zu schweigen.
    Etzel lächelte, während er ihr den Vortritt zum Wehrgang ließ. »Ich hörte einiges über die Art und Weise, mit der Ihr Euch bei Hofe gebt, Prinzessin. Ihr seid nicht leicht zu bändigen. Das spricht für Euch.«
    »Vielen Dank«, brummte sie finster.
    Er lachte. »Ich verstehe Euch besser, als Ihr meinen mögt. Nur eines begreife ich nicht – werdet Ihr mir daher eine Frage gestatten?«
    »Ihr mögt Eure Männer am Fuß der Mauer zurückgelassen haben, aber ich bin sicher, sie wären schnell mit den Klingen bei der Hand, würde ich mich Euren Wünschen widersetzen.«
    Er schüttelte ein wenig resigniert den Kopf. »Warum habt Ihr Euch in der Zeit, in der Ihr hier seid, nicht ein einziges Mal nach der Herrin dieser Festung erkundigt? Zu ihr wolltet Ihr doch, nicht wahr?«
    »Ich nahm an, Ihr habt sie getötet – so, wie es Art der Hunnen ist.« Einen Moment lang fürchtete sie, den Bogen überspannt zu haben, doch auch diesmal blieb Etzel ruhig. Falls ihre Worte ihn getroffen hatte, so hielt er seine Wut im Zaum.
    Statt dessen nickte er langsam. »Es ist Art der Sieger, die Erinnerung an die Verlierer auszulöschen. Und ich gestehe, ich mußte meine Männer davon abhalten, dieser Hexe die Haut abzuziehen.«
    Kriemhild schöpfte neue Hoffnung. »Dann lebt sie?«
    Mit einem weiteren Kopfnicken sagte er: »Sie lebt, wenn auch um eines hohen Preises willen.«
    »Ich bin sicher, mein Bruder wird ihn zahlen.« Tatsächlich war sie sich dessen alles andere als sicher, doch der Gedanke, daß ihre Reise möglicherweise doch nicht umsonst gewesen und Berenike am Leben war, erfüllte sie mit Freude. Vielleicht würden sie die Pest doch noch besiegen können, bevor die Seuche Worms und die westlichen Länder erreicht hatte!
    »Der Preis, von dem ich sprach«, sagte er betrübt, »ist keiner, den Euer Bruder zahlen könnte.« Er blieb stehen, stützte sich mit beiden Händen auf die Zinnen und blickte über das nebelverhangene Tal hinweg. »Ich allein habe diesen Preis zu zahlen.«
    »Ihr, Prinz Etzel?«
    Er fuhr sich mit einer Hand durch seinen pechschwarzen Haarschopf. »Eine Schuld, die mich in meine Träume verfolgen wird, dessen seid gewiß.«
    Sie lehnte sich neben ihm an einen der brusthohen Steinquader und versuchte, von der Seite seinen Blick einzufangen. Doch Etzel schaute nur gedankenverloren über den milchigen Dunst nach Osten.
    »Von welcher Art Preis sprecht Ihr?« Plötzlich überkam sie ein schmerzhaftes Gefühl der Vorahnung, ohne daß sie ihre Befürchtung in Worte hätte fassen können.
    »Ich will es Euch zeigen, Prinzessin«, sagte er, löste sich vom Zinnenkranz und ging weiter den Wehrgang entlang. »Deshalb habe ich Euch hier heraufgeführt.«
    Im Inneren der Ummauerung gab es eine Reihe von Häusern, deren Dachgiebel den Blick auf die andere Seite der Zinnen verwehrten. Kriemhild und Etzel mußten fast die gesamte

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