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Nicht so laut vor Jericho

Nicht so laut vor Jericho

Titel: Nicht so laut vor Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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schüttete.
    Das sehen und in Tränen ausbrechen, war für Amir eins:
    »Pfui, Pappi«, schluchzte er. »Du hast ja nicht einmal gekostet.«
    Jetzt war es mit meiner Selbstbeherrschung vorbei:
    »Ich brauche nicht zu kosten«, herrschte ich meinen Nachkommen an. »Jeder Trottel kann sehen, daß es nur Wasser ist.«
    Ein durchdringender Blick Amirs war die Folge:
    »Lügner«, sagte er leise. »Warum hast du dann bisher immer gekostet?«
    Das war die Entlarvung. Amir wußte, daß wir Abend für Abend ein idiotisches Spiel veranstalteten. Wahrscheinlich hatte er’s von allem Anfang an gewußt.
    Unter diesen Umständen bestand keine Notwendigkeit mehr, die lächerliche Prozedur fortzusetzen.
    »Doch«, widersprach die beste Ehefrau von allen. »Es macht ihm Spaß. Hauptsache, daß er…«
    Im November führte Amir eine kleine Textänderung ein. Wenn ich ihn bei der Überreichung des Bechers fragte, warum er seinen Kakao nicht getrunken hätte, antwortete er:
    »Ich habe nicht getrunken, weil das kein Kakao ist, sondern Leitungswasser.«
    Eine weitere Erschwerung trat im Dezember auf, als Amir sich angewöhnte, die Flüssigkeit vor der Kostprobe mit dem Finger umzurühren. Die Zeremonie widerte mich immer heftiger an. Schon am Nachmittag wurde mir übel, wenn ich mir vorstellte, wie das kleine, rothaarige Ungeheuer am Abend mit dem Leitungswasser angerückt kommen würde. Alle anderen Kinder trinken Kakao, weil Kinder eben Kakao trinken. Nur mein eigenes Kind ist mißraten…
    Gegen Ende des Jahres geschah etwas Rätselhaftes. Ich weiß nicht, was da in mich gefahren war: an jenem Abend nahm ich aus meines Sohnes Hand den Becher entgegen – und statt den eklen Sud in weitem Bogen auszuspucken, trank ich ihn bis zur Neige. Ich erstickte beinahe, aber ich trank.
    Amir stand entgeistert daneben. Als die Schrecksekunden vorüber waren, schaltete er höchste Lautstärke ein:
    »Wieso?« schrillte er. »Warum trinkst du das?«
    »Was heißt da Warum und Wieso?« gab ich zurück. »Hast du mir nicht gesagt, daß du heute keinen Tropfen Kakao getrunken hast? Und hab’ ich dir nicht gesagt, daß ich den Kakao dann selbst trinken werde? Also?«
    In Amirs Augen funkelte unverkennbarer Vaterhaß. Er wandte sich ab, ging zu Bett und weinte die ganze Nacht.
    Es wäre wirklich besser gewesen, die Komödie vom Spielplan abzusetzen. Aber davon wollte meine Frau nichts wissen:
    »Hauptsache«, erklärte sie, »daß er seinen Kakao trinkt.«
    So vollzog sich denn das Kakao-Spiel erbarmungslos Abend für Abend, immer zwischen sieben und halb acht…
    Als Amir seinen fünften Geburtstag feierte, ergab sich eine kleine Zeitverschiebung. Wir hatten ihm erlaubt, ein paar seiner Freunde einzuladen, mit denen er sich unter Mitnahme des
    Bechers ins Kinderzimmer zurückzog. Gegen acht Uhr wurde ich ungeduldig und wollte ihn zwecks Abwicklung des Rituals herausrufen. Als ich mich der Tür näherte, hörte ich ihn sagen:
    »Jetzt muß ich ins Badezimmer gehen und lauwarmes Wasser holen.«
    »Warum?« fragte sein Freund Gilli.
    »Mein Pappi will es so haben.«
    »Warum?«
    »Weiß nicht. Jeden Abend dasselbe.«
    Der gute Junge – in diesem Augenblick wurde es mir klar – hatte die ganze Zeit geglaubt, daß ich es sei, der das Kakao-Spiel brauchte. Und er hat nur um meinetwillen mitgespielt.
    Am nächsten Tag zog ich Amir an meine Brust und ins Vertrauen:
    »Sohn«, sagte ich, »es ist Zeit, von diesem Unsinn zu lassen. Schluß mit dem Kakao-Spiel! Wir wissen beide, woran wir sind. Komm, laß uns etwas anderes erfinden.«
    Das Schrei- und Heulsolo, das daraufhin einsetzte, widerhallte im ganzen Wohnviertel. Und was ich erst von meiner Frau zu hören bekam!
    Die Ensuite-Vorstellung geht weiter. Es gibt keine Rettung. Manchmal ruft Amir, wenn die Stunde da ist, aus dem Badezimmer: »Pappi, kann ich dir schon das Leitungswasser bringen?« und ich beginne daraufhin sofort meinen Teil des Dialogs herunterzuleiern, unerhört, herrlicher Kakao, pfui Teufel, brrr… Es ist zum Verzweifeln. Als Amir eines Abends ein wenig Fieber hatte und im Bett bleiben mußte, ging ich selbst ins Badezimmer, füllte meinen Sud in den Becher und trank ihn aus.
    »Reingefallen, reingefallen«, rief Amir durch die offene Türe.
    Seit neuestem hat er meinen Text übernommen. Wenn er mit dem gefüllten Becher aus dem Badezimmer herauskommt, murmelt er vor sich hin:
    »Amir hat schon wieder keinen Tropfen getrunken, das ist ja unerhört, was glaubt der Kerl…« und so weiter

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